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Gewitter in der Türkei
Iran und Arabische Halbinsel

Türkei – Gespräch mit Kurden über Erdogan

Dogubayazit, 17.10.2015
Ich bin geschockt, der Ishak Pasa Palast, jener Palast der so majestätisch über Dogubayazit thront, der eines der schönsten Fotomotive in der Türkei war, ist renoviert. Vorbei die Zeit, in der die Ruinen malerisch dem rauen Wetter auf 2000 Meter trotzten. Mit Aluminium und modernen Glasflächen wurde ein neues Dach aufgespannt.
Wo anders werden historische Gebäude aus religiösem Fanatismus gesprengt, hier soll mit der Verunstaltung der Tourismus angekurbelt werden. Ich mache nur ein einziges Bild, weil es sonst niemand glauben würde.
Besonders ärgerlich: Ich habe in der Stadt mit viel Zeit und Charme die Erlaubnis für einen Überflug mit unserem Foto-Kopter bekommen. Es sollte ein Kalenderbild aus der Luft werden. Auf den Flug verzichten wir.

Ishak Pasa

Der Sultanspalast Ishak-Pasa

Die Kopfsteinpflasterstraße, die bei unserem letzten Besuch 2006 im Bau war, verfällt inzwischen wieder. Niemand fühlt sich verantwortlich, die Frost- und Wasserschäden zu reparieren. Vielleicht geht es auch ebenso mit den neuen Steinen, dem Alu und Glas und in 200 Jahren ist es wieder die uns bekannte Ruine. Warten wir es ab.
Dafür ergab sich im Zusammenhang mit der Flugerlaubnis ein interessanter Kontakt in der Verwaltung, mit jemandem der sehr gut deutsch spricht und war so ein längeres politisches Gespräch möglich. Ich habe die Aussagen nicht überprüft, sie repräsentiert aber die Meinung vieler Kurden. Hier ein paar Ausschnitte:

Erdogan ist ein Oligarch

„Erdogan will unbedingt an der Macht bleiben, weil er Angst hat, dass er und seine Getreuen sonst vor Gericht kommen und angeklagt werden. Jeder weiß, was er und seine Seilschaften für Verbrechen begangen haben. Im Laufe der Jahre hat er seine Leute an allen wichtigen Stellen positioniert, in der Polizei, im Militär und in der Justiz. Wir haben keine Demokratie mehr in der Türkei sondern eine Oligarchie. Die Pressefreiheit ist faktisch abgeschafft. Wer kritisch berichtet muss mit Hausdurchsuchungen oder sehr genauen Steuerüberprüfungen rechnen.“
(Anmerkung: In einer Oligarchie wird die Regierung von einer Fraktion kontrolliert, die in ihrem eigenen Interesse handelt, ohne Rücksicht auf das Allgemeinwohl.)

Nur diesen Ring

„Ich kann mich erinnern, als Erdogan Oberbürgermeister in Istanbul war und sich zur Wahl stellte, da zog er seinen goldenen, mit einem Stein besetzten Ring vom Finger und sagte: „Dieser Ring ist alles was ich besitze, wenn ich gewählt werde und irgendwann aus dem Amt scheide, wird es auch nur dieser Ring sein, den ich besitzen werde.“ Heute gehört seine Familie zu den 100 Reichsten Familien in der Türkei. Sie wissen, Erdogan wurde in der unteren Mittelschicht am Schwarzen Meer geboren, arbeitete als Straßenverkäufer und heute gehört er zu den 100 Reichsten. Aber er besitzt nur diesen Ring. Wenn er die Wahl verliert, wird ein Gericht prüfen, wie es zu diesem Reichtum kam. Das weiß er, und davor hat er Angst.“

„Wo kommt der Reichtum her?“

„Um die neuen Autobahnen und Infrastrukturprogramme zu finanzieren, sind massiv staatliche Betriebe privatisiert worden. Generell nicht schlecht, aber dies nutzen Erdogans Familie und seine Günstlinge, um sich in den privaten Betrieben hohe Positionen und Provisionen zu sichern.
„Und der Anschlag in Ankara?“, frage ich nach.
„Erdogan fühlt sich von den Kurden hintergangen, sie haben bei der letzten Wahl ihre eigene Partei gewählt und ihn nicht unterstützt. Seitdem ist das Tuch zwischen Erdogan und den Kurden zerrissen. Erdogan hat bis vor kurzem die IS in Syrien unterstützt, vielleicht unterstützt er sie immer noch, nicht weil er ihr antiquiertes Weltbild teilt, sondern um die Kurden in der Region zu schwächen. Dabei hätten wir gemeinsam gegen die IS kämpfen müssen.“

Anschlag in Ankara

„Sie fragen nach dem Anschlag in Ankara? Die Sicherheitskräfte kannten die Bedrohung, sie waren alarmiert, haben aber nichts unternommen. Alle Botschaften haben Tage zuvor ihre Sicherheit erhöht. Erdogan wusste, es wird einen Anschlag der IS geben, aber es wird Kurden treffen, daher hat er nichts unternommen. Dafür muss er vor Gericht.“
„Und die gepanzerten Wagen überall auf den Straßen?“
„Es wird behauptet, die Kurden hätten ihre eigenen Leute umgebracht, die PKK stände hinter dem Anschlag. In den letzten 14 Tagen sind 20.000 Soldaten zusätzlich in den Osten der Türkei verlegt worden. Die täglichen Straßensperren, die zu unserer Sicherheit dienen sollen, sind in Wahrheit da um uns einzuschüchtern.“
„Vielen Dank für das Gespräch.“ Wir machen uns auf den Weg nach Iran.

Haus der Kurden

Typisches Haus im Gebiet der Kurden

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

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