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Kurdistan

Kurdistan

Auf dem Gebiet des Iran bekommen wir gar nicht mit, dass es hier Gebietsansprüche der Kurden gibt. Alles ist normal, keine Polizei, kein Militär, die Iraner oder Kurden hier sind wie gewohnt überaus freundlich und korrekt. Wir übernachten wild in Grenznähe zur Türkei (auf iranischem Gebiet) keinen stört es, keiner kommt und fragt.
Am nächsten Morgen fahren wir zum Grenzübergang Serou / Esendere, trinken den letzten Tee mit den iranischen Zöllnern und kurze Zeit später den ersten türkischen Mokka mit den türkischen Zöllnern. Alles geht absolut korrekt und freundlich ab. Unsere 850 Liter Diesel in den Tanks sind kein Problem. Den Iraner interessiert es nicht, und dem Türken zeige ich auf seine Nachfrage nach Diesel einen leeren 20 Liter Öl-Kanister.
Viel von der Landschaft zu sehen gibt es nicht, die Straße verläuft fast ständig in einer tiefen Schlucht. Die wenigen Pässe sind in Wolken gehüllt. Das Wetter ist schlecht, es regnet ständig.
Wir haben den Eindruck, Kurdistan besteht nur aus Steinen, Fels und Geröll. Gelegentlich kleine, armselige Ortschaften, in denen die meisten unverputzten, wellblechgedeckten Häuser nicht besser aussehen als die Schafställe. Die Menschen leben von und mit ihren Schafherden.
Dazwischen ,im Kontrast, moderne Kasernen mit unzähligen gepanzerten Fahrzeugen in den Hallen. Ölzentralheizung und Notstromgeneratoren, die rund um die Uhr brummen.
KurdistanAuf den Pässen liegt Schnee und es schneit unaufhörlich. Wegen des Schnees sind keine Autos mehr unterwegs nur unser Deutz bahnt sich dank Allradantrieb seinen Weg durch den Neuschnee.
In jeder Kurve sieht man kleine Unterstände in denen drei bis fünf Soldaten ihre Teekanne auf dem Feuer stehen haben und sich wärmen. Im Schnitt alle zehn Kilometer passieren wir einen Militär-Check-Point. Radpanzer und Kettenpanzer sichern die Kontrollpunkte. Insgesamt sind wir und unser Auto auf den 200 Kilometern im Grenzgebiet zum Irak 16 mal durchsucht worden. Und zwar gründlicher als bei der Einreise.
An einem Check-Point kommt es zum Streit. Es regnet und wir sollen draußen im Regen warten, bis unser Auto gecheckt wurde. Ich ärgere mich nicht nur darüber, sondern auch das wir bei jedem Check gründlicher durchsucht werden als die Einheimischen. Später erfahren wir, das zwar alle Autos durchsucht werden, aber bei ortsfremden Autos die Durchsuchung besonders gründlich zu erfolgen hat. Wir sind zwar als Touristen zu erkennen, nur hat bei der Gesetzgebung niemand damit gerechnet das hier Touristen rum fahren. Im übrigen sind wir seit langer Zeit die Ersten.
Also weigern wir uns auszusteigen. Zudem hat er mir nicht wie einem Hund Befehle zu erteilen, sondern die Worte Bitte und Danke zu verwenden. Ein andere Soldat wird gerufen, mit mehr Streifen und Sternchen auf der Schulter. Er will, das wir unser Auto an den Straßenrand fahren, für eine besonders gründliche Durchsuchung. Schikane. Irgendein Soldat fotografiert unseren Deutz mit seinem Fotohandy, natürlich ohne zu fragen. Fotografierverbot? Ich hole meinen Fotoapparat und fotografiere Panzer und Soldaten. Der Soldat mit den vielen Streifen wird böse.
Um die Geschichte abzukürzen:
Später steht unser Deutz am Straßenrand, ist gründlich durchsucht worden und wir sitzen beim Verhör in einem warmen Büro. Ein Übersetzter ist gerufen worden und zwei in zivil gekleidete Männer, die kein einziges Wort sagen, nur alles mit anhören. Das Verhör verläuft ausgesprochen freundlich. Uns wird Tee gebracht und Essen angeboten.
Die üblichen Fragen,
„Warum lasst ihr euer Auto nicht durchsuchen?“ „Wir lassen unser Auto durchsuchen, jetzt schon 14 mal, aber wir lassen uns nicht schikanieren. Ich dachte der Soldat spricht mit einem Hund.“
„Warum habt ihr fotografiert?“ „Weil die Soldaten zuerst mich fotografiert haben, dachte ich das Fotografierverbot sei aufgehoben.“
„Was wollt ihr hier?“ „Es wird behauptet, das türkische Militär achtet in Kurdistan die Menschenrechte nicht, das können wir nicht glauben und wollen uns unser eigenes Bild machen.“
„Was habt ihr in Iran gemacht?“ „Teheran, Schahpalast, Esfahan, Persepolis, das übliche Touristenprogramm.“
„Warum ward ihr in Syrien?“ „Transitland von Jordanien.“
„Warum in Pakistan?“ „Wegen der Berge im Karakorum.“
„Wer finanziert euch?“ „Keiner, wir uns selbst.“
„Es ist sehr gefährlich für euch hier, es wäre besser ihr würdet das Gebiet verlassen.“
Aha, der will uns also los werden, denke ich mir. Wahrscheinlich wird er gleich den Vorschlag machen, uns zwei Geländewagen als Eskorte mit zu geben, die uns hier weg bringen.
Doch plötzlich sind wir frei und können fahren. Der Abschied ist ausgesprochen freundlich. Der mit den ganz vielen Sternen und Streifen entschuldigt sich für das Verhalten seiner Soldaten, ich entschuldige mich für meine Befehlsverweigerung.
Die Fotos interessieren keinen mehr, ich muss sie nicht löschen,
doch leider sind alle verwackelt.
Beim nächsten Check-Point probieren wir was neues. Ich fahre vor bis zum Stopschild. Stelle den Motor ab, öffne unaufgefordert alle Türen und Klappen und stelle mich mit aufgeschlagenem Reisepass vor den Deutz in den Regen und warte.
Der Deutz wird nicht durchsucht und fünf Minuten später sitzen wir auf einer bequemen Couch mit warmen Tee beim Hauptmann in seinem Büro, das eher einem Wohnzimmer gleicht.
Diesmal kein Verhör, sondern ein Gespräch. Der Hauptmann hat eine interessante Ansicht:
„Das was wir (türkische Militär) hier machen ist falsch. Das kostet hier nur Geld und eine Lösung ist nicht in Sicht.
Wir müssen die PKK-Kämpfer in Irak ausrotten, doch seit die USA in Irak ist, können wir dort nicht hin. Und durch den Krieg dort werden die Kurden in die Türkei getrieben und vergrößern das Problem hier.
Die Lösung der Kurdenproblematik liegt in Washington.“
„Wie sieht die Lösung aus?“
„So wie wir die USA im Kampf gegen ihre Terroristen unterstützen muss die USA uns bei dem Kampf gegen die PKK unterstützen und nicht nur mit Worten.“

Am nächsten Tag (wir mussten bei einem Check-Point übernachten) werden wir von einem alten, zahnlosen Kurden zum Tee eingeladen. Er freut sich mächtig, als ich anhalte und die Einladung annehme. Er lacht und schüttelt mir fünf mal die Hand. In dem kleinen Zimmer steht ein Ofen, in dem mit Kuhdung ein Feuer brennt. Der Tee steht bereits zubereitet in der Kanne auf dem Ofen. Wir setzten uns, eine Verständigung ist nicht möglich. Der Zucker hat sich noch nicht aufgelöst, es sind vielleicht zwei Minuten vergangen, als zwei Soldaten in die Hütte kommen und die Teerunde beenden. Es sei für uns zu gefährlich, wir sollen weiterfahren. Wir sagen den Soldaten, wenn sie was von uns wollen sollen sie draußen beim Auto warten, wir trinken in aller Ruhe unseren Tee zuende.
Der Alte guckt ernst und zuckt mit den Schultern. Schade das wir nicht miteinander reden können. Als wir seine Hütte wieder verlassen scheint er froh zu sein.
Als wir das Kurdengebiet verlassen frage ich mich, wo ist eigentlich die UN, die doch sonst überall mit ihren schönen neuen weißen Geländewagen spazieren fährt. Wir haben kein einziges Fahrzeug der UN gesehen.
Ab Sirnak werden die Militärkontrollen deutlich weniger und beschränken sich auf Passkontrollen. Unser Auto wird nicht mehr durchsucht. Dafür werden die Preise für Döner-Kebab oder Schischkebab immer teurer, je näher wir der Küste kommen und die Portionen immer kleiner.
Unser Wüstenschiff muss in die Werft. Bremsen vorne und hinten neu belegen, Radbremszylinder überholen und die kleine Öl-Leckage am Motor finden und abdichten.
Zwei Mechaniker schrauben ein 1 ½ Tage an dem Deutz. Alles zusammen (ohne Material) inklusive einer abschließenden Wagenwäsche und zwei Mittagessen, kostet 75 Euro.
Bei Silifke finden wir einen tollen unverbauten kilometerlangen Sandstrand. Hier erholen wir uns noch ein paar Tage von der Reise, bevor wir zu unserem Sommerurlaub nach Deutschland starten.

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

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