Tansania
Die Ausreise aus Malawi war locker, Stempel in die Pässe, Stempel ins Carnet und fertig. Nach der Road Tax, die wir bisher noch nicht gezahlt hatten, fragt niemand mehr. Glück gehabt und so etwa 60 Euro gespart.
You pay
Dafür sind die Verhandlungen bei der Einreise nach Tansania schwieriger. Erst mal 50 US-Dollar für jedes Visum. Okay, das ist der offizielle Tarif und Verhandlungen bei Visagebühren braucht man gar nicht erst beginnen. Stempel ins Carnet, auch kein Problem. Dann die Road-Tax und hier beginnen die Diskussionen. 100 USD sei der Tarif, um die Straßen vier Wochen befahren zu dürfen. Mein Argument, dass es sich um ein Privatfahrzeug und nicht um ein kommerziellen Lastwagen handelt, interessiert wenig. Pkw zahlen nur 20 USD für vier Wochen. Die Tonnage sei ausschlaggebend, so der Krawattenträger. Wir bleiben freundlich aber hart, die Gegenseite auch. Ein weiterer humorloser Uniformierter mischt sich ein und will das „Verständigungsproblem“ lösen. Plötzlich ist von Hubraum die Rede und Fahrzeuge mit solch großen Motoren wie unseres, müssen 100 USD zahlen. Die Zeit vergeht, das Verständigungsproblem und meine Hartnäckigkeit bleibt. Inzwischen sind wir im Büro des Chefs angelangt, der hat im Moment ganz andere Probleme. Sein Computer hat einen Virus und er kann sich nicht mehr in sein Dienstprogramm einloggen. Der IT-Experte ist vor Ort, schaltet den Rechner aus und bootet neu. Gleiches Problem. Der IT-Experte schaltet wieder den Rechner aus und bootet neu, so könnte ich mich etwa 20 Minuten lang wiederholen und ich weiß nicht, wie lange der Mann vom Fach schon vor unserem Eintritt ins Büro das Problem auf diese Weise lösen will. Wir sitzen auf der Ledercouch und nehmen es locker, sehen es wie ein Theaterstück, bei dem wir in der ersten Reihe sitzen und sogar gelegentlich mitspielen dürfen. Der Experte gibt auf, morgen will er es – wahrscheinlich auf die gleiche Weise – erneut probieren. Für heute muss der Chef auf seinen Computer verzichten.
Der Chef hört uns kurz an und spricht das letzte Wort: „You pay 100 Dollar US.“
Okay, das Spiel ist verloren, geht es mir durch den Kopf, aber einfach so die Karten bzw. die 100 USD auf den Tisch werfen, will ich auch nicht. Wenigstens noch etwas Arbeit machen.
„Kann ich die Regelung und Gebührenordnung mal sehen, einige sagen es ginge nach Tonnage, andere sagen es ginge nach Hubraum.“
Der Buchhalter muss antreten. Die Buchhaltung ist im Nachbarbüro und durch die geöffnete Tür sehen wir, wie er Aktenordner durchsucht, aber nichts passendes findet. Der Chef wird sauer. Jetzt suchen drei Mitarbeiter in diversen Ordnern, ohne Erfolg.
Plötzlich erinnert sich einer von ihnen. Kurzes Gespräch mit dem Chef, dessen Stirnfalten sich etwas glätten. Und dann wird mir heiß. Unseretwegen wird ein Hocker herbeigebracht und das Bild des Präsidenten von der Wand genommen. Das ist noch nicht oft passiert, man erkennt an der helleren Wandfarbe deutlich, wo es gehangen hat. Und man wird es nicht glauben, aber hinter dem Präsidenten hängt die Gebührenordnung.
Der Chef liest laut vor: „commercial vehicels like busses, trailers, tanker, lorries and other commercial vehicels pay 100 USD. Private vehicles like pick-ups, limousines, vans and other private vehicles pay 20 USD.“
Schweigen im Raum, alle starren zum Chef. „You have to pay 20 Dollar US.“
Jetzt bloß keine Schadenfreude zeigen, auf gar keinen Fall grinsen oder eine dumme Bemerkung machen, sondern eine Formulierung finden, die es ihm ermöglicht, vor seinen Mitarbeitern sein Gesicht zu wahren. Also bedanken wir uns für seine Gastfreundschaft, entschuldigen uns für die Zeit, die wir in Anspruch genommen haben danken ihm, dass er unser Problem so schnell, korrekt und souverän aus der Welt geschafft hat. Zum Schluss noch gute Wünsche für seine Frau, Kinder und Familie und nichts wie weg.
Die Gebührenordnung war Trumpf und so haben wir 80 USD gespart, mit 50 Minuten Einsatz.
Die Teerstraße steigt ins Gebirge. Regenwolken ziehen auf, dunkle, bedrohliche und kurze Zeit später geht ein tropisches Gewitter über uns nieder. Regen ist hier nicht ungewöhnlich und so ist hier alles grün. Teeplantagen, Bananenstauden, Kartoffel- und Kohlfelder ziehen an uns vorbei. Tomaten und Zwiebeln werden eimerweise verkauft. 10 kg Tomaten für umgerechnet 2 Euro. Zwei Tage und 300 km nördlich liegen die letzten Regentage schon Monate zurück. Strahlend blauer Himmel, trockenes Buschland und riesige Baobabs, unter denen wir jeden Abend einen ruhigen Übernachtungsplatz finden.
Sansibar
Unseren Deutz haben wir im bewachten Innenhof des YWCA in Dar Es Salaam abgestellt. Hier soll er auch während der Tage stehen, die wir in und auf Sansibar verbringen. Am nächsten Tag packen wir unsere Rucksäcke und mit der Schnellfähre geht es nach Sansibar. Am Hafen sind wir umringt von neuen Freunden, die uns aus reiner Nächstenliebe und Wohltätigkeit zu günstigen Hotels führen wollen. Wir werden die Schlepper einfach nicht los, da hilft nur ein kleiner Trick. Wir gehen ins erst beste Hotel und fragen, ob wir unsere Rucksäcke für eine Stunde abstellen dürfen. Kein Problem. Ohne Rucksack sind wir für unsere neuen Freunde uninteressant und so können wir in Ruhe eine preiswerte Unterkunft suchen und sogar einen 20% Rabatt auf den Preis aushandeln, denn wir kommen ja ohne Guide.
Sansibar! Welch klangvoller Name, ein Name voller Faszination, Ausstrahlung und Mythos.
Die schmalen, verwinkelten Gassen der Altstadt „Stone Town“, so schmal, dass kein Auto hindurch passt, erinnern unwillkürlich an Märchen aus 1000 und einer Nacht. Im Labyrinth der Minarette, Koranschulen, Kirchen, prachtvollen arabischen Palästen und halb verfallenen Lehmbauten der Ärmsten verlieren wir die Orientierung, wo ist Nord, wo ist Süd?
Völlig verschleierte muslimische Frauen mischen sich mit Touristinnen im kurzen Röckchen und figurbetontem Top. Soll man bei Anblick der Paläste und des Reichtums der ehemaligen Sklavenhändler vor Bewunderung ergriffen sein, wo er doch auf dem Leid von Millionen Sklaven ruht? Wo ist Nord, wo ist Süd?
Sansibar, ein Schmelztiegel von Raum, Zeit und Kultur. Traditionelle Segelschiffe wie vor Hunderten von Jahren aus Holz gefertigt, die Dhaus, kreuzen vor der Küste, dazwischen Tragflügelboote und Containerschiffe. Der Schreiner fertigt Möbelstücke wie zu Jesu Zeiten und wird von digitalen Kameras fotografiert.
Auf dem Gewürzmarkt riecht es wie zur Zeit, als David Livingston sich hier für seine Expeditionen ins innere Afrika mit dem Notwendigsten eindeckte, nach Nelken, Zimt, Vanille und Kardamon.
Würde David Livingston diese Zeilen lesen, er würde sich vor Lachen auf die Schenkel klopfen, von wegen Duft nach Zimt und Vanille. Livingston nannte das Labyrinth von schmutzigen, übelriechenden Gassen voller Ungeziefer „Stinkibar“ und fügte noch hinzu: „Der nächtliche Gestank ist so krass, dass man sich daraus ein Stück schneiden könnte, um damit den eigenen Garten zu düngen.“
Sansibar, leitet sich entweder vom arabischen Satz „zayn za i bar“ ab, was soviel wie „Schön ist diese Insel“ bedeutet oder vom persischen „zanji bar“, was einfach nur „Negerküste“ heißt.
Am Abend sitzen wir auf der Terrasse des Africa House Hotel. Eine große Dhau segelt vor der rot im Meer versinkenden Sonne. Statt Campari Orange bestelle ich einen indischen Massala-Tee in einer chinesischen Porzellantasse. Ein kühler Wind weht vom Meer herüber, die Dhau ist kurz vorm Hafen und der Feuerball halb im Meer versunken. Der Tee ist scharf, Eselgewieher schallt in den engen Gassen. So muss es vor 150 Jahren gewesen sein.
Der Tagtraum wird jäh unterbrochen, der Kellner schaltet das Neonlicht an.
Übrigens: Ich hätte nicht extra sagen müssen, dass ich eine chinesische Porzellantasse haben wollte, alle Tassen auf Sansibar sind „Made in China“.
Wir halten es mit den Arabern: Schön ist die Insel, Sansibar!
Offroad Abenteuer in Tansania
Zurück auf dem Festland geht’s an der Küste entlang nach Peponi. Ein schöner Campingplatz unter Palmen direkt am indischen Ozean und nette Leute. Wir bleiben 10 Tage.
Anschließend geht es in die Usambaraberge. Enge Wege, gerade mal fahrzeugbreit, teilweise durch Urwald, ja, das macht Spaß.
Richtig spaßig wird es, als der Regen fällt. Die Erdstraßen verwandeln sich in rutschige Schlammwege. Der Deutz rutscht, steht schief, kurz vorm Abgrund und jede Aktion führt dazu, dass das Heck sich weiter in Richtung Abgrund dreht.
Wir übernachten und hoffen, dass der Weg abtrocknet. Am nächsten Mittag geht’s weiter, aber nur für ein paar Stunden, dann regnet es wieder. Etwas mehr als eine Woche sind wir in den Bergen durch Regen gefangen, bis wir endlich wieder in der Ebene auf brauchbare Pisten treffen, die uns nach Moshi bzw. Arusha am Kilimanjaro bringen.
Um auf den Kilimanjaro zu steigen, sind wir inzwischen zu fett. Aber auch wenn wir über die nötige Kondition verfügen würden, wären uns die Strapazen keine 1.000 US-Dollar pro Person wert, die man inzwischen für den Kili zahlen muss.
Road-Tax, Teil 2
Die Ausreise ist problemlos, naja fast. Wir sind etwas mehr als 7 Wochen in Tansania gewesen, hatten aber bei der Einreise nur für vier Wochen die Roadtax gezahlt. Also müssen wir 20 USD nachzahlen. Doch die Lady ist böse. „Die haben einen Fehler gemacht. Ihr müsst 100 USD zahlen und 80 Dollar nachzahlen, macht 180 USD.“
„Die fettgefressene, alte Drecks…“, aus Jugendschutzgründen gebe ich jetzt mal nicht alle meine Gedanken wieder.
„Kann ich mal die Gebührenordnung sehen, nach welchen Kriterien die Tax berechnet wird?“
„Wir kennen die Regeln, wir handhaben das hier immer so.“
„Ja, aber lassen sie uns doch mal reingucken. Dort steht…“, und dann zitiere ich den Text aus der Erinnerung.
„Wir haben die Gebührenordnung nicht hier.“ Die faule, stinkende… – okay Jugendschutz – wird etwas zahmer.
„Rufen sie doch beim Kollegen mal an, das Regelwerk hängt dort hinter dem Präsidenten an der Wand und lassen sich eine Kopie faxen.“
Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen stellt die Alte eine Quittung über 20 USD aus und diesmal kann ich mir ein breites arrogantes Grinsen, wie man es sonst nur von Lackaffen kennt, nicht verkneifen und gebe ihr den guten Rat, sich doch mal um eine Weiterbildung zu bemühen.
Jetzt geht es mit den Verhandlungen über Road-Tax auf der kenianischen Seite weiter, aber das ist ein neues Kapitel.