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Kenia
Kapstadt - Kairo

Kenia

Das Visum gibt es schnell und unbürokratisch an der Grenze. Aber zuvor werden wir von Massai-Frauen umringt und mit Massai-Schmuck behangen. Auch das Carnet ist schnell gestempelt, jetzt muss nur noch die Roadtax gezahlt werden. Die Diskussionen ziehen sich hin. Wir haben unterschiedliche Standpunkte. Ich bin der Meinung, unser Deutz sei ein etwas größerer Landrover, während der Beamte die Ansicht vertritt, es sei ein kleiner Lastwagen. 20 Minuten später sitzen wir im Büro des Chefs und stören beim Kaffeetrinken. Er fällt keine klare Entscheidung, auf Grundlage dessen man zahlen oder weiter diskutieren könnte, sondern ist sehr diplomatisch: „Es könnte ein Lastwagen sein, aber ebenso gut auch ein Pkw.“ „Okay, dann ist es ein Pkw“, entscheide ich schnell. „Aber vielleicht ist es doch ein Lkw“, grübelt der Chef. Ich weiß nicht, was dieses hin und her soll. Später erfahre ich die Auflösung: Der Tarif für Pkw (etwa 40 USD) gilt für einen Monat unabhängig der Kilometer. Der Lkw-Tarif wird nach Kilometer abgerechnet, unabhängig von Zeit. Ich bin mir jetzt selbst nicht mehr sicher, ob wir nun einen Pkw oder Lkw haben.
Letztendlich entscheiden wir uns für den Pkw-Tarif. Den umgehangenen Schmuck der Massai bekommen wir natürlich wieder abgenommen, als klar wird, dass mit uns kein Geschäft zu machen ist.

Die Massai in Kenia

Es dauert keine fünf Stunden und die Massai gehen uns schon gewaltig auf den Nerv. Für Fotos muss gezahlt werden, so steht es zumindest im Reiseführer, aber dass man auch dafür zahlen soll, wenn man Kühe fotografieren will, nur weil sie einem Massai gehören, ist schon sonderbar. Also keine Fotos. Am Nachmittag fahren wir von der Teerstraße runter in den Busch und es dauert nicht lange, bis ein Massai neben dem Wagen steht und irgendetwas von Sauerland faselt.

Land Rover der Massai

Land Rover der Massai

Aber er meint nicht „Dies ist Sauerland“, wie ich es verstanden habe, sondern „This is our land, you pay“. Es dauert ganze 40 Minuten, bis er abzieht und uns in Ruhe lässt, ohne Geld kassiert zu haben.
Am nächsten Morgen fotografiere ich einen alten Landrover vor einem Laden. Dummerweise gehört der Karren einem Massai und schon beginnen die Geldforderungen.

Am Nachmittag verlassen wir wieder das Asphaltband und fahren etwa drei Kilometer über abgeweidetes Grasland. Unser Übernachtungsplatz scheint ideal, keine Menschenseele weit und breit, von der Teerstraße nichts zu sehen und sollte doch jemand Kurs auf uns nehmen, können wir ihn schon von weitem entdecken. Doch kaum zu glauben, nach etwa drei Stunden sehen wir zwei Gestalten am Horizont auf uns zu laufen.

Dürrre in Ostafrika

Dürrre in Ostafrika

Freundliche Begrüßung, kurzer Small Talk, die Beiden sind wirklich nett. „Was haltet ihr von den Massai?“, will der Jüngere wissen. Da sie nicht wie Massai aussehen, bekommen sie auch eine ehrliche, ungeschmückte Antwort: „Ein geldgieriges Bettelvolk.“ Ich zähle unsere bisherigen fünf Kontakte zu den Massai auf, die alle mit Geldforderungen für irgend einen Scheiß endeten.
„Wir sind auch Massai“, erklärt der Ältere. „Und das ist unser Land“, fügt der Jüngere hinzu. Aber statt Geldforderungen geht das Gespräch in eine andere, für uns neue, Richtung. Wir werden in ihre Hütte zum Tee und Essen eingeladen. Die Einladung nehmen wir natürlich an und sitzen bei Sonnenuntergang in einem Raum mit Sofa, Tisch und Fernsehapparat. In einem kleinen Häuschen gleich nebenan wird auf Holzkohle Tee gekocht.
Während der Teerunde wird uns klar, dass es sich hier nicht um typische Massai handelt. Der Vater, etwa 65 Jahre alt, hat in England studiert, und das zu einer Zeit, in der die meisten Massaikinder noch nicht zur Schule geschickt wurden. Weiter erfahren wir, dass er ein „Member of Parliament“ in Nairobi war. Ich habe mich über den relativen Reichtum der Familie schon gewundert, Notstromaggregat für Licht und Fernseher, zwei Autos vor der Hütte und zwei Bedienstete. Vom Abendessen rühren wir nichts an, mein Arzt würde uns sonst das Reisen verbieten. Aufgetragen wurde eine große Schale mit roher, blutiger Rinder-Leber und eine Schüssel mit rohem Rindergulasch, dazu warme Milch direkt aus der Kuh oder Tee. Die Delikatesse gibt es zum Nachtisch: In einer Schüssel befindet sich ein rot-grau schimmernder Gelee, der mit den Fingern gegessen wird. Vor ein paar Stunden wurde den Rindern Blut abgezapft, dieses gerann in den folgenden Stunden und wurde dann mit frischer Milch vermischt. Aus religiösen Gründen sind wir Vegetarier – ja die Deutschen spinnen – und so bleiben wir beim Tee.
Wir dürfen auf ihrer Weide stehen solange wir wollen und können auch an ihrem Brunnen unseren Wassertank auffüllen.

30 Minuten sind kein Tag

Am folgenden Abend, wir sind wieder zum Tee verabredet, fragt der Ältere uns, ob wir nicht mit den Massai drei Tage durch die Steppe ziehen wollen. Wegen der Trockenheit müssen die Rinder zu einem Gebiet getrieben werden, wo es geregnet hat, etwa drei Tagesmärsche entfernt. Morgens bei Sonnenaufgang soll es losgehen, gelaufen wird 14 Stunden und dann unter einem Strauch geschlafen. Wir brauchen nur eine Wasserflasche und eine Decke für die Nacht. Die Nahrung unterwegs besteht aus frischer Milch und Rinderblut. Auf dem ebenfalls drei Tage dauernden Rückmarsch wird gehungert.
Okay, damit ist die Entscheidung für uns gefallen.
Heute Abend müssen aber etwa 30 Kühe von der Weide neben dem Haus zu einem Sammelplatz getrieben werden, da könnten wir doch mitgehen, schlägt einer der Massai vor. Das wäre auch nur ein kurzer Spaziergang von 30 Minuten. Einverstanden. Wir bekommen einen Stock in die Hand gedrückt und rennen mit 5 Massai im Staub der Herde Rinder.
30 Minuten vergehen, eine Stunde, nach anderthalb Stunden, inzwischen ist es stock dunkel, fragt Sabine vorsichtig nach, wie weit es noch sein möge. „Noch etwa 20 Minuten“, lautet die Antwort. „Aber sollte nicht der ganze Weg nur 30 Minuten dauern?“, fragt Sabine noch mal nach. „Zeit ist bei uns anders. 30 Minuten bedeutet, dass es nicht den ganzen Tag dauert.“
Wir machen uns wieder auf den Rückweg und denken darüber nach, was wohl mit drei Tagen gemeint war? Das es nicht einen Monat dauert?
Am dritten Tag fahren wir weiter nach Nairobi und werden zumindest einen Teil der Massai in guter Erinnerung behalten.

JJ in Nairobi

Bremach

Bremach auf dem Camp JJ in Nairobi

JJ oder Jungle Junction, wie es richtig heißt, ist einer der bekanntesten Globetrottertreffpunkte in Afrika. Chris, ein Deutscher ist vor mehr als 10 Jahren hier in Nairobi mit seinem BMW-Motorrad gestrandet und freute sich immer, wenn andere Reisende in seinem Garten übernachteten. Inzwischen ist daraus eine Art permanentes Globetrottertreffen entstanden. Wir bleiben drei Wochen, besorgen die Visa für Sudan und Äthiopien und feiern Weihnachten.
Ein Konvoi mit Südafrikanern trifft ebenfalls auf dem Camp ein. Große Aufkleber auf den Toyotas „Cape to Cairo – We make it“. Über die Reiseplanung der Südafrikaner kann man sich nur wundern: Sie wollen in 197 Tagen in Spanien sein. Jeder Tag ist genau geplant, vor allem die Übernachtungen auf Campingplätzen oder Hotelparkplätzen, denn draußen im Busch ist es zu gefährlich. Zudem hat man feste Termine auf der Route wie z.B. eine gebuchte und schon bezahlte Nilkreuzfahrt in Luxor für den 162-166 Tag, eine Hotelübernachtung in einer Edel-Lodge am 147 Tag in Marsabit usw. Landkarten haben sie fast keine dabei, man lädt sich die Route von „Tracks 4 Africa“ ins GPS und folgt dieser ohne Abweichung. Das kostenlose Internet bei JJ nutzt man daher auch, um die Campsites für die nächsten Tage bis Addis Abeba vor zu buchen. Naja, jeder reist wie es ihm gefällt.

Lake Turkana

JJ ist ebenfalls der Punkt, auf dem sich viele zu einer Reisegemeinschaft für die Strecke nach Äthiopien zusammenschließen. Alle Reisenden in Richtung Norden entscheiden sich für die Strecke Marsabit – Moyale, die als schneller und sicherer gilt, als die Strecke entlang des Turkana-Sees.

Also machen wir uns alleine auf den etwa 1.500 km langen Weg. Wir überqueren den Äquator und kurz später setzt Regen ein. Die Erdstraßen entwickeln sich rasch zu einer Schlammschlacht. Unserem Deutz scheint es richtig Spaß zu machen. Allerdings stecken fast alle einheimischen Fahrzeuge fest und mehr als einmal kommt unsere Winde zum Einsatz.

Die Hauptpiste nach Regen

Die Hauptpiste nach Regen

Je weiter wir nach Norden kommen, umso ungenauer werden unsere Landkarten. In der Michelin Karte ist eine Brücke verzeichnet, die es noch nie gab. In den russischen Militärkarten sind Pisten eingezeichnet, wo es nicht mal einen Trampelpfad gibt und den Gipfel bildet die Detailkarte von RKH, dort sind Ortschaften eingezeichnet die mehr als 30 Kilometer entfernt liegen. Der Autor unseres Reiseführers, ein Ding mit fast 1.000 Seiten, schreibt, dass er die Gegend nur vom Hörensagen kennt und empfiehlt, genügend Treibstoff mitzunehmen. Auch ohne diesen klugen Tipp hatten wir in Nairobi schon mal 500 Liter gebunkert.

Lake Turkana

Lake Turkana

Der Pistenverlauf bereitet keine Orientierungsprobleme, immer sind Fahrspuren zu erkennen. Es gibt mehr Abschnitte die mit Schritttempo zu befahren, sind als Strecken auf denen man aufdrehen kann. Hier lebt der Stamm der Samburu, die mit den Massai verwandt sind. Man merkt es am Schmuck, der Kleidung, der Sprache und der Geldgier.
Ab hier gibt es Fotos nur noch gegen Geld. Schade das wir keines mehr haben. Unsere letzten Schilling hatten wir im letzten größeren Ort gegen Kautabak eingetauscht.

Hütten am Lake Turkana

Hütten am Lake Turkana

Afrika ist mit Glasmurmeln erobert worden und jedes Kind weiß, dass die Naturvölker mit Geld nichts anfangen können, sondern materiellen Dingen wie Murmeln, Batterien, Taschenlampen, Spiegeln etc. den Vorzug geben. Kautabak ist der Renner bei den Naturvölkern, so sagte es der Restaurantbetreiber in der Stadt. Die Samburu und später die Turkana lachen mich aus, als ich den Kautabak auspacke und dafür fotografieren will. Das Einzige, was in der Natur zählt, ist Geld.
Also tauschen wir 5 USD zu einem miserablen Kurs, um wenigstens mit Verhandlungen beginnen zu können, die bei den Samburu langwieriger und anstrengender waren als bei den Turkana.

Bewohner am Lake Turkana

Bewohner am Lake Turkana

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

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