Malawi
50 Meter haben wir Zeit, den Ärger über die Straßenbenutzungsgebühr in Mosambik zu vergessen, soweit liegen in etwa die Grenzabfertigungen auseinander. Also wieder lächeln, höflich und freundlich sein. Die Einreise ist problemlos. Obwohl es offiziell eine Road-Tax gibt, die auch von uns zu entrichten wäre, fragt niemand danach. Die Angaben dazu im Internet sind unterschiedlich. Für die etwa 1.000 Kilometer lange Strecke nach Tansania haben andere zwischen 10 und 200 US-Dollar zahlen müssen. Wir biegen nach wenigen Kilometern in eine Teeplantage ab und übernachten. Am nächsten Morgen machen wir es ganz genau. Ich will wissen, wie hoch die offizielle Roadtax ist und will darüber ein amtliches Dokument sehen, das ich fotokopieren und auf meine Homepage stellen kann. Also gehen wir zur Tourismusbehörde in Mulanje, doch hier hat jeder nur Mutmaßungen. Man könne sich nicht vorstellen, dass Touristen eine Straßengebühr zu zahlen hätten und wenn doch, dann bestimmt nur ganz wenig. Aber solche Aussagen vom Leiter der Behörde helfen nicht weiter. Beim Hauptrevier der Polizei das Gleiche. Mit unserem Anliegen schaffen wir es ins Büro zum Polizeichef. Auch dieser ist sich nicht sicher, telefoniert und kann keine eindeutige Antwort liefern, von einem offiziellen Schreiben oder Gebührentabelle ganz zu schweigen. Wir sollen nach Blantyre fahren und uns bei der Regionalregierung erkundigen.
Beim Direktor
Zwei Tage später sitzen wir im Vorzimmer des Tourismusdirektor für die Malawi-Region-Süd. Die Sekretärin hat absolut keine Ahnung und stellt uns ein paar Flyer von Edel-Lodgen zusammen, bei denen man noch nicht mal das Dach über dem Bett öffnen kann.
Der Direktor ist nicht in seinem Büro, aber die Sekretärin telefoniert hinter ihm her und überreicht mir den Hörer. Er verspricht umzudrehen und in fünf Minuten zurück in seinem Büro zu sein. Tatsächlich, zehn Minuten später sitzen wir in abgewetzten Clubsesseln in seinem Büro. Er spricht perfekt Englisch, versteht das Problem auf Anhieb und telefoniert mit dem Polizeichef. Anschließend mit der Hauptstadt, dann mit der Grenzabfertigung und hat zum Schluss keine Ahnung was zu zahlen ist, wahrscheinlich 10.000 Kwacha, etwa 50 Euro. Schriftlich kann er mir jedoch nichts zeigen, aber er verspricht, der Sache nach zu gehen und mir ein offizielles Schreiben per email zu senden, das ich auf meiner Homepage publizieren kann, damit es für alle Traveller klar ist. Vier Tage später habe ich eine email von ihm im Postfach, er bedankt sich für unseren Besuch und hofft, dass uns Malawi gut gefallen hat. Von einer Gebührenordnung oder der gleichen keine Spur. Die Straßenbenutzungsgebühr wird gar nicht mehr erwähnt. Eine kleine Erinnerung unsererseits bleibt unbeantwortet und wir hören nie wieder etwas vom Tourismus-Direktor.
Ich greife mal etwas vor: Keine einzige Polizeikontrolle fragte nach der Road-Tax, bei der Ausreise interessierte es niemanden und so haben wir in Malawi nichts gezahlt.
Muzungu, Muzungu
Gleich hinter der Grenze geht es los: „Muzungu, Muzungu, Give me my money.“ Vom drei- bis siebzigjährigen bettelt jeder. Hilfsorganisationen verteilen großherzig die in Europa eingesammelten Spenden oder Steuergelder und man muss aufpassen, dass man nicht von einem der neuen weißen Toyotas mit Aufklebern an der Türe wie US-AID, UNICEF, World-Vision, GTZ, WFP, Caritas, Ärzte ohne Grenzen, überfahren wird.
Am Straßenrand überall Schilder: „48 km road donated by EU“ „Bright projekt finance by Germany“ „Sponsored by Japan“ „Sweden-Development-Projekt“.
Und in der Zeitung liest man, dass der Präsident die Beziehungen zu den G20-Staaten intensivieren will und vorrangiges Regierungsziel ist es, dass die extra Hilfen, die letztes Jahr wegen des gestiegenen Ölpreises und gestiegener Nahrungsmittelpreise gewährt wurden, auch dieses Jahr gezahlt werden, obwohl Öl- und Nahrungsmittelpreise auf normal Niveau gefallen sind. „Muzungu, Muzungu, give me my money“, hört man also auf allen Ebenen, nur eben diplomatisch verfeinert.
Europäisches und deutsches Steuergeld wird z.B. eingesetzt, um die Einkommen der Farmer zu steigern. Das groß angelegte Projekt zieht sich durchs ganze Land und man hat den Eindruck, der Erfolg ist reziprok zum eingesetzten Geld. Wo das Geld verschwindet, kann man in den edlen Hotels der Hauptstadt sehen. Jedes zweite Auto auf dem Parkplatz trägt einen der bekannten Aufkleber, im Foyer des Sani-Hotel weisen Hinweistafeln den Weg. „Caritas: Malaria – Meeting Raum 102“, „UNICEF: Abuse Children – Meeting Raum 105″, US-AID: Woman Develop Projekt – Workshop Raum 107“
Ich bin dreist und frage an der Rezeption, ob ich mal einen Blick in den Belegungsplan der Konferenzräume werfen darf. Jeden Tag drei verschiede Organisationen mit Meetings oder Workshops. Und von Insidern erfahren wir, mit Meetings macht man das große Geschäft. Die Hotel- und Restaurantpreise liegen in den Hauptstädten von Entwicklungsländern, in denen viele internationale Hilfsorganisationen tätig sind, am oberen Rand.
Wir erfahren, dass zu einem Meeting grundsätzlich eine Hotelübernachtung (150-200 US-Dollar), Frühstück, Mittag- und Abendessen und alkoholfreie Getränke gehören. Aha, daher der viele Verkehr mit Servierwagen.
Des weiteren erhalten die Teilnehmer von Workshops und Meetings in der Regel ein Tagesgeld von mindestens 35 Euro (DED und GTZ zahlen weniger). Zum Vergleich: ein Bankangestellter verdient etwa vier Euro am Tag, ein Bauarbeiter einen Euro.
Dadurch ergeben sich recht kuriose Dinge, dass zum Beispiel ein Verwaltungsmitarbeiter mehr Zeit in Meetings verbringt als an seinem Schreibtisch und die gezahlten Tagungsgelder ein vielfaches seines Gehaltes betragen.
Dass die fast 3000 Hilfsorganisationen an gleichen Projekten arbeiten, ohne es voneinander zu wissen und der Regierungsmitarbeiter bei allen Meetings sitzt, ohne das parallel laufende Projekt auch nur mit einem Wort zu erwähnen, interessiert niemanden.
Langsam dämmert es mir, welche Einkommen wir mit unserem edlen Projekt FIDP (Farmers Income Develop Programm) steigern. Oder habe ich mich verlesen? Heißt es vielleicht EIDP (Eliten Income Develop Programm), es wäre zumindest ehrlicher.
Zurück nach Blantyre
Nachdem wir den Regionalregierungssitz verlassen haben fahren wir zum Shoprite, in der Hoffnung, unsere Vorräte im südafrikanischen Supermarkt kostengünstig ergänzen zu können. Das Warenangebot ist wie in Südafrika, aber die Preise deutlich höher und so verlassen wir den Laden mit lediglich einem Toastbrot und sechs Eiern.
Auf dem Parkplatz empfängt uns der Aufpasser und zeigt auf einen handgeschriebenen Zettel unter unserem Scheibenwischer. „Hallo, wir würden euch gerne mal kennen lernen. Ihr findet uns im Optikerladen gleich um die Ecke. Grüße, Ruth und Thomas.“ Drei Minuten später sitzen wir bei einem Kaffee zusammen. Thomas ist Weihnachten 2005 in Deutschland mit einem IFA W50 gestartet. In Namibia war die Reisekasse ziemlich aufgebraucht und mit Glück fand er einen Job als Geschäftsführer in einem Optikerladen in Malawi. Thomas ist von Beruf Optiker. Und jetzt freut er sich über jeden Reisenden, der auf dem Parkplatz des Shoprite stoppt, um so sein Fernweh etwas zu lindern. „Wenn ihr Zeit habt, kommt doch heute mit zu mir. Vor meinem Haus ist genug Platz und ihr könnt, wenn ihr wollt, auch ein paar Tage dort campen.“ Die Einladung nehmen wir gerne an, den Thomas ist uns von beginn an sympathisch und aus einer Nacht werden drei.
Zomba-Plateau
Eine kleine Teerstraße windet sich in Serpentinen den Hang hinauf und mit jeder Kehre wird die Aussicht grandioser. Der Teer endet und eine kleine Erdstraße führt bis auf eine Höhe von knapp 1.800 Meter. Auf der Hochebene sind wir völlig allein und finden einen tollen Übernachtungsplatz an einem Waldsee. Keine Siedlung, noch nicht mal ein paar Hütten. Das Klima ist klasse, deutlich kühler und trockener als unten in der Ebene und der Wald aus Pinien, in dem wir endlose Spaziergänge unternehmen, erinnert etwas an die deutschen Waldgebiete. Hier lässt es sich gut aushalten.
Zudem sind gerade Himbeeren reif, sie hängen in unglaublicher Fülle an den Sträuchern, die fast das ganze Plateau überziehen. Von den 5.478.345 Stück, die ich mir in den Mund stecke war keine Einzige mit Wurm. Würmer scheint es hier keine zu geben. Wir bleiben fünf Tage, dann geht die Reise weiter an den Lake Malawi.
Lake Malawi
Der See ist mit einer Länge von 570 km der drittgrößte See Afrikas. Wir folgen auf guter Teerstraße der Küstenlinie Richtung Tansania. Kleine Campingplatze gibt es überall und es ist fast Urlaub, was wir hier machen. Tagsüber beobachten wir die Fischer, wie sie ihre Netze oder Einbäume reparieren, mit denen sie meist Nachts raus auf den See fahren und kleine Fische fangen, von denen fast alle Uferbewohner leben. Nachmittags sitzen wir mit einer Tasse Kaffee auf der Aussichtsterrasse mit anderen Reisenden und warten auf den Sonnenuntergang.
Aber jeder Urlaub geht mal zu Ende und wir machen uns auf den Weg nach Tansania.