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Sabine und Michael Quadflieg, moderne Nomaden am Lagerfeuer
Fahrerische Missgeschicke

Ohne Öl im Motor auf Mission Liebe

von Sabine und Michael Quadflieg

Frei und unabhängig sein. Diese beiden erstrebenswerten Eigenschaften beziehen wir noch nicht immer auf ein Leben on the road. Eine feste Partnerschaft? Schwachsinn, wenn man statt dessen eine völlig unverfängliche Freundschaft Plus haben kann! Nachdem ich mir mit Sabine darin einig war und wir uns in dieser Situation fühlten, als hätten wir die Beziehungsweisheit mit Löffeln gefressen, stand die Urlaubszeit ins Haus. Ein Roadtrip durch Europa sollte es werden – aber so schlau und freiheitsliebend wie wir waren, fährt jeder natürlich mit seinem eigenen Auto! Hin und wieder könne man sich ja mal treffen.

Der Lac de Sainte Croix

Der Lac de Sainte Croix

Sabine packt also ihren T3 Camper und startet Richtung Frankreich, während es mich im Opel Vectra erst mal nach Italien zieht. Abenteuer, wir kommen!

Der Lac de Sainte Croix sollte die erste Station von Sabine sein. Nach entspannter Fahrt grade angekommen und gemütlich eingerichtet, erwische ich sie bei einem kleinen Geplänkel mit dem jungen Franzosen vom Camping Municipal mit einer SMS:
„Wo bist Du und was machst Du so?“

„Am Lac de Sainte Croix und Du?“

„Ich bin am Mont Blanc. Hier ist es sau kalt und total langweilig! Hast Du was dagegen, wenn ich zum Lac komme?“

„Nö!“

Hiermit begann die schlimmste Fahrt im Leben unseres Opel Vectra! Ein kleines Problem war bereits vor dem Start bekannt: Ein ganz schöner Heißhunger auf Motorenöl. Was soll’s schon, man kann ja nachfüllen! Zu einer fehlenden Diagnose am Motor gesellten sich nun aber auch noch Verliebtheit und absolutes, technisches Unwissen!

Minimalistisches Reisemobil

Minimalistisches Reisemobil

Ich verbringe also noch die Nacht am Mont Blanc – meine Freiheit ist irgendwie viel uncooler als gedacht, dabei friere ich vor Kälte fast an den Polstern des Vectra fest. Bis ich einschlafe denke ich darüber nach, wie viel besser die Nacht im Camper von Sabine verlaufen könnte. Morgens um halb 6 geht’s für mich auf die Bahn. Den Mont Blanc Tunnel und das Aostetal hinter mir gelassen, durchquere ich die Innenstadt von Tourin. Natürlich rede ich mir ein, dass dies neben dem kleinen Umweg eine überaus schöne, fahrenswerte Strecke ist, denn mein Navi ist ausgefallen und das wäre ja gelacht, wenn ich mein Ziel nicht auch ganz ohne Karte finden würde!

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt müsste es auch gewesen sein, als der Vectra, nach vorherigen Messungen zu urteilen, mal einen kräftigen Schluck aus der Ölkanne gebrauchen konnte. Zum Glück hat mir gerade erst noch der Kumpel erklärt, dass man kein kaltes Öl in einen heißen Motor füllen darf – Schwein gehabt, am Schluss würde ich mir jetzt noch den kompletten Motor ruinieren! Kurz überlege ich, ob ich nicht lieber stehenbleiben und warten soll, bis der Motor abgekühlt ist. Beim Umsehen wird mir allerdings schnell klar, dass ich echt schon mal schönere Umgebungen zum Zeit vertrödeln gesehen habe … außerdem: wo soll ich die Zeit zum Vertrödeln denn hernehmen, ich habe schließlich eine Verabredung am See! Und wie schlimm kann die Sache mit dem Öl schon sein, wenn bis jetzt noch nicht einmal die Öllampe am brennen ist? Der Vectra erreicht zuverlässig San Remo. Puh, sind jetzt halt schon echt viele Kilometer über der Nachfüllgrenze. Vielleicht doch nochmal eine Nacht einlegen und am Morgen dann erst mal den Opel pflegen. Doch weit gefehlt: Hast Du kein Wohnmobil und noch nicht einmal ein Zelt, kommst Du dort auf keinen Campingplatz. Was soll das, ich bezahle doch schließlich auch meinen Platz, wollen die kein Geld verdienen? Die Faxen dicke starte ich erneut den Motor – sind ja nur noch 200 km!

Auf Umwegen durch die Provence

Auf Umwegen durch die Provence

Kaum zu glauben, wie schnell man sich an einen Nadelkompass als Ersatz für ein Navi gewöhnen kann, doch in Monaco (lag Monaco auf meiner Route?) ist dann doch die Hilfe eines Einheimischen gefragt. Und da steht er: Der Inbegriff der Coolness himself. Durchtrainiert und braungebrannt, im Polohemd mit aufgestelltem Kragen und verspiegelter Sonnenbrille steht er vor mir, der Motorradpolizist, mit dem augenscheinlichen Selbstbewusstsein von Fürst Albert persönlich. Er würde ja wohl hier den schnellsten Weg aus der Stadt heraus kennen … vielleicht hätte ich das jedoch besser den Fahrer des Bugatti fragen sollen, der gerade als ich meine Frage beendet hatte in einem Affenzahn an uns vorbei schoss. Er müsse wohl arbeiten, sage ich noch verständnisvoll zu Mr Coolness, als dieser seinen Helm aufsetzt uns mir im Losfahren noch die Nummer einer Autobahnausfahrt an den Kopf wirft. Eine zu beeindruckende Begegnung war die kurze Unterhaltung mit dem Motorradcop, als dass ich ihm im Nachhinein böse sein könnte, dass die genannte Ausfahrt in der Gegenrichtung meines Zieles lag …

Ganz schön spät ist es in der Zwischenzeit geworden. Ein erneuter SMS Check bei Sabine fördert zu Tage, dass sie sich auf dem Campingplatz jetzt von dem Franzosen und seinen Freunden bekochen lässt. Ich glaub, ich sollte mich beeilen … gut, wenn der Opel es bis hier her geschafft hat, kann er nun auch noch den Rest der Strecke aushalten, oder nicht!? Naja, der Motor hörte sich in Zwischenzeit vielleicht etwas unrund an – kann aber schließlich jetzt auch einfach Einbildung sein! Kurzer Blick auf die Öllampe: leuchtet noch nicht – der Gedanke, dass mit dieser Anzeige auch etwas nicht stimmen könnte schießt mir durch den Kopf, wird aber meisterlich sofort wieder verdrängt! Es gibt jetzt Wichtigeres als diese blöde Lampe! Ab jetzt geht es mit dem Kompass kreuz und quer durch die Provence! Der liebevoll handgezeichnete Karte eines hilfsbereiten Franzosen sind bestimmt auch nicht alle Umwege zuzuschreiben, die ich heute noch entdecken sollte. Was haben die Franzosen aber auch für eine bescheidene Beschilderungsmoral???

Es muss so gegen 20 Uhr gewesen sein, als der Vectra eindeutig nur noch auf drei Zylindern läuft. Mit letzter Kraft schleppen diese drei tapferen Helden mich und den Rest des kochenden Opels zu dem Aussichtspunkt über den Lac de Sainte Croix, wo Sabine sich inzwischen mit der zweiten Kanne Sekt und gegrillten Würstchen über die viel zu lange Wartezeit füttern lies. Um 22 Uhr hatten wir es nach nur 16,5 Stunden pausenloser Fahrt aber geschafft und Sabine erreicht. Kein Zweifel, bei den Geräuschen würde der Opel die Heimreise auf dem Rücken eines Abschleppwagens antreten müssen, aber dieses Opfer galt es zu bringen.

VW T3 und Opel Vectra vereint

VW T3 und Opel Vectra vereint

Zufrieden ob meinem Triumph über die würstchenbratenden Franzosen und nach einer warmen, nicht mehr einsamen Nacht im Camper, beschließe ich am Morgen, dass das Schicksal mein Freund sein muss – ich fülle Öl in den Vectra und drehe probeweise den Schlüssel im Zündschloss. Was soll schon passieren? Dass durchaus etwas passieren kann, wird mir schlagartig klar, als der Wagen anspringt. Mit aufgerissenen Augen machen wir einige Schritte rückwärts, um uns vor  herumfliegenden Teilen in Acht zu nehmen, das Rumpeln und Schütteln des Autos entwickelt beachtliche Ausmaße. Doch ich habe das Glück gerade tatsächlich gepachtet – von Augenblick zu Augenblick erholt sich der Vectra und fängt an immer runder und ruhiger zu laufen.

VW-T3 und Sabine warten am Nachtplatz

VW-T3 und Sabine  am Nachtplatz

Den Rest unserer geplanten Tour legten sowohl Camper „Paulchen“ als auch der Vectra ohne eine einzige Panne zurück. Im Konvoi. Bei dieser Episode ist uns beiden nämlich nicht nur klar geworden, dass wir nichts von Motoren verstehen, sondern es auch schöner ist, die Welt zusammen  zu erkunden, statt getrennt. Ein Jahr später stand der nächste Roadtripp vor der Tür – es sollte unsere Hochzeitsreise sein. Selbstverständlich im Opel Vectra, der uns noch knapp 100.000 km pannenfrei begleiten sollte! … Und keine Sorge, inzwischen wissen wir mehr über Fahrzeuge und deren Technik – besser so, wir leben jetzt schließlich in einem!

Über uns

Sabine und Michael Quadflieg, moderne Nomaden am Lagerfeuer

Sabine und Michael Quadflieg, moderne Nomaden am Lagerfeuer

Sabine und Michael haben beschlossen, dass ihnen der normale Alltag in Job und Wohnung zu langweilig ist – zu viel Hamsterrad, zu wenig leben!
Nach 1,5 Jahren, in denen sie einen Oldtimer LKW restauriert und mit einer selbst gebauten Wohnkabine versehen haben, ließen sie alles hinter sich, um mehr von der Welt zu erleben. Über ihre Reisen aber auch den Alltag als moderne Nomaden berichten sie bei
Herman unterwegs und hautnah auf ihrem youtube-Kanal.

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

This article has 2 comments

  1. Michael

    Hi
    Ich wollte euch nur mitteilen das der Link zu „Herman Unterwegs“ nicht funktioniert.
    Echt Top Seite, wünsche euch weiterhin viel Spass und Glück beim Reisen…

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