Sicherheit???
Ein Gastbeitrag von Rolf Schettler
Bei Fernreisen ist es unmöglich, Risiken vollkommen auszuschließen!
Das vertretbare Risiko für jede mögliche Art der Reise-Beeinträchtigung hängt von vielen Faktoren ab und wird zudem subjektiv verschieden bewertet.
Im allgemeinen werden höhere Wahrscheinlichkeiten für Beeinträchtigungen mit steigendem Nutzen für den Reisenden als vertretbar angesehen, insbesondere wenn man z.B. lieber nach Mauretanien und nicht an die Nordsee reisen möchte.
Um den Zustand der Sicherheit zu erreichen, wird jeder Reisende vor Reisebeginn eigene spezielle Überlegungen anstellen:
* zu den technischen Grenzen des vorhandenen Fahrzeugs in Bezug auf die geplante Route
* zur Verkehrssicherheit seines Reisemobils
* zum Werkzeug und den mitzunehmenden Ersatzteilen, sowie der Ersatzteilversorgung
des verwendeten Fahrzeugs im Einsatzland/Region
* zu Reparaturmöglichkeiten und eigenen Fähigkeiten zur Reparatur
* zu Reisen mit mehreren Fahrzeugen
* gegebenenfalls zu Krankenversicherung und zur Flugrettung bei Unfall / Krankheit
Dies wäre alles unter dem Begriff „Betriebssicherheit“ und seine Nebenbedingungen (englisch safety) für den Fahrer zu verstehen.
Im Deutschen verwendet man aber den Begriff der Sicherheit auch im Sinne des englischen Wortes „security“ und das umfasst Betrachtungen von Gefahrenpotentialen von außen.
Allgemein wird Sicherheit jedoch als relativer Zustand der GefahrenFREIHEIT angesehen, der stets nur für einen bestimmten Zeitraum, für eine bestimmte Umgebung oder unter bestimmten Bedingungen gegeben ist.
Im Extremfall können alle Sicherheitsvorkehrungen versagen, etwa bei Vorkommnissen, die man selbst nicht beeinflussen kann (beispielsweise Unfall / Naturkatastrophe / Überfall / Minen / schwere Erkrankung / Ermordung).
Sicherheit bedeutet daher nicht, dass Beeinträchtigungen vollkommen ausgeschlossen werden können.
So nutzt zum Beispiel ein Durchgang vom Aufbau zum Fahrerhaus in einer brenzligen Situation, der man sich entziehen möchte, nichts, wenn – wie mir passiert – von einem „Angreifer“ alle Reifen zerstochen wurden und ich deshalb nicht fliehen konnte.
Für den Bereich „security“ möchte der Reisende in ihm unbekannte Gebiete gern auf die Einschätzung der Gefahrenlage von Erfahrenen oder Fachleuten zurück greifen.
So schaut man als erstes – wie Burkhard richtigerweise schreibt – auf die Seite des Auswärtigen Amts in Berlin.
Hier fällt mir persönlich auf, dass für große Gebiete der Welt gleiche oder ähnliche, also ziemlich undifferenzierte Reisewarnungen oder Hinweise ausgesprochen werden.
Früher waren – was Mauretanien anbetraf – einzelne Fälle noch aufgeführt, z.B. wann und wo spanische Entwicklungshelfer entführt oder französische Touristen ermordet wurden.
Den Satz „Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) sucht in Mauretanien….gezielt nach Ausländern zum Zwecke der Entführung“ möchte ich gern hinterfragen.
Fakt ist, dass Mauretanien jährlich aus dem Tourismus mehr als 40 Mio $ generiert, sich also mehr als einzelne Reisende im Land bewegen.
Ich selbst, der ich mich aus persönlichen Gründen für Mauretanien besonders interessiere, habe bisher aber noch keine Informationen gefunden, dass Deutsche, Österreicher oder Schweizer entführt oder ermordet wurden.
Als einziger größerer Vorfall, in den Deutsche involviert waren, ist mir ein Raubüberfall bekannt, bei der eine Reisegruppe von Klaus Därr vor vielen Jahren Fahrzeuge, Ausrüstung und Geld bei einer Tour aus Algerien kommend, im Norden Mauretaninens verlor und zwar nach seiner Einschätzung durch Algerier, die ihnen bis nach Mauretanien gefolgt waren.
Neben der für mich zu diffusen Warnung des AA vor Entführung empfinde ich es auch als nicht zielführend, wenn ein Land, das dreimal so groß wie Deutschland ist, praktisch insgesamt als Jagd-Gebiet für Entführer bezeichnet wird.
Natürlich gibt es No-Go-Areas, über die man sich informieren sollte. Dafür ist mir jedoch eine unspezifische Reisewarnung zu pauschal.
Vielleicht ist dies auch darauf zurück zu führen, dass Deutschland und Mauretanien nur einen geringen Warenaustausch in der Größenordnung von ca. 40 Mio € pro Jahr in beide Richtungen haben und deshalb unser Engagement und die Informationsflüsse nach Deutschland nur gering ausgebildet sind.
Zwar investiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) ca. 4,60 € pro mauretanischen Einwohner pro Jahr in gemeinsame Entwicklungsprojekte. Jedoch beschränkt sich diese Aktivität nur auf Teilgebiete Mauretaniens, eingeengt durch die selbst erstellte Gefährdungslage im Land und das geringe Budget des BMZ.
So habe ich schon vor Jahren dem Auswärtigen Amt vorgeschlagen, doch einfach die Reiseempfehlungen des französichen Außenministeriums zu übernehmen, die mir aktueller und detaillierter zu sein scheinen, was Mauretanien betrifft.
Man findet sie auf der Seite
Hervorstechend bei den Ratschlägen aus Paris ist für mich, dass bei kritischen Ländern jeweils eine Länderkarte mit unterschiedlichen Einfärbungen für unterschiedliche Risiko-Gebiete vorhanden ist (System Ampel).
Natürlich ist dieses Ampelsystem auch stark vereinfachend, man könnte sagen eine Management Darstellung ähnlich einem Tortendiagramm.
Deshalb ist es verständlich, dass man auch hier sehr genau hinschauen muß, um eigene Schlüsse ziehen zu können.
So fiel mir auf, dass auch diese Informationen hinterfragt oder interpretiert werden müßten:
Beispiel #1.- Das „Niemandsland“ von ca. 5 km Breite zwischen dem marokkanischen Grenzposten am Südrand der Westsahara und der Grenzabfertigung auf mauretanischer Seite wird seit Jahren immer als No-Go-Area in der französischen Karte „Maroc / Sahara Occidental“ bezeichnet (und im deutschen Text des AA verbal ähnlich beschrieben).
Hintergrund ist offensichtlich die Tatsache, dass dieses Gebiet zur Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) gehört, dessen Polisario-Regierung von vielen Ländern als Terrororganisation eingestuft wurde. Die politische Zugehörigkeit zur DARS hat jedoch keinerlei Einfluß auf die Durchquerungsmöglichkeit von europäischen Touristen des Niemandslandstreifens. Für Flüchtlinge aus dem Süden Afrikas scheint es jedoch zur Falle zu werden, wenn sie illegal aus Mauretanien ausreisen und nicht von Marokko herein gelassen werden, aber auch Mauretanien sie nicht wieder ins Land läßt.
Es ist selbstverständlich, dass man aus der Westsahara kommend vor der Einreise nach Mauretanien das Minen-verseuchte Grenzgebiet ebenso wie die Gebiete des ca 2.700 km langen marokkanischen Grenzwalls (Berm) in der Westsahara nicht off-road, sondern nur auf der Straße oder markierten Pisten befahren sollte.
Die Minengefahr ist real, da ich selbst vor einigen Jahren vom mauretanischen Grenzposten aus eine Explosion sah, die durch ein Touristenfahrzeug ausgelöst worden war, das bewußt oder unbewußt die offizielle Grenzabfertigung umfahren wollte.
Beispiel #2.- Bemerkenswert für mich war vor knapp sechs Jahren, dass das Gebiet um Atar seinerzeit von den Franzosen (wohl aus einer besonderen Art die Bewertung von Sicherheit) auch als No-Go-Area ausgewiesen war. Es war die Zeit, in der dort französische Truppen zusammen gezogen und trainiert wurden, um anschließend in Mali einzumarschieren. Dies führte u.a. dazu, dass nicht nur mauretanische Soldaten die Straßen kontrollierten, sondern auch französische Polizisten an den Kontrollstellen zu sehen waren, die jedoch nur französische Touristen zurück schickten.
Inzwischen hat sich die Lage geklärt, die französischen Soldaten sind weg, dafür chinesische Bautrupps am Werk. So ist nachvollziehbar, dass inzwischen das französische Außenministerium seine Reisewarnungen deutlich herunter gefahren hat. Als Ergebnis ist zu konstatieren, dass der Tourismus in Mauretanien wieder neue Impulse erhält.
Es sei daran erinnert, dass bis vor ca. zehn Jahren Pauschal-Touristen-Direktflüge von Berlin und Paris nach Atar als Ausgangspunkt für Dromedar-Touren in Richtung Chinguetti existierten, die nach den immer wieder zitierten zwei schweren Zwischenfällen eingestellt wurden, was damals praktisch den gesamten Mauretanien-Tourismus zum TOR ZUR SAHARA zusammen brechen ließ.
Auch hier zeichnet sich nun eine Wende ab, da in diesem Winter ein französisches Unternehmen ( point-afrique.com ) wieder Direktflüge nach Atar angeboten hat und zudem das Reiseunternehmen point-voyage.com Pauschalreisen in die Region Choum-Atar-Chinguetti inclusiv einem Stück Eisenbahnfahrt auf der Erzbahn in sein Programm aufgenommen hat.
Leider ist unsere Informationsdichte über dieses schöne Reiseland so gering, dass bei Google heute (12.4.2019) der neue Wechselkurs für € /Ouguiya angegeben wird (wenn man in die Suchmaschine „Euro Ouguiya“ eingibt, beim englischen Google (GBP Ouguiya) kommt jedoch noch der alte Wechselkurs vor der Währungsreform!).
Es wird Zeit, dass ein qualifizierter Reiseführer einer größeren Zahl von Touristen den Zugang zu den Schönheiten dieses Landes öffnet.
Ich kann als Resümee meiner subjektiven, weil rein persönlichen Bewertungen nur feststellen, dass ich mich in Mauretanien genau so sicher gefühlt habe wie in der Westsahara.
Rolf Schettler
P.S. Für diesen Beitrag wurden Infos und Zitate von Wikipedia, Google (de), Google (en), BMZ Berlin, Dokumente der mauretanischen Regierung, Hinweise des Auswärtigen Amts Berlin, France Diplomatie, Paris, und eigene Erlebnisse und Erfahrungen sowie Hinweise eines Artikels von pistenkuh.de verwendet.
Hallo Zusammen und danke für die interessanten Ausführungen. Wir selbst planen für 2020 eine 1jährige Reise mit dem Fahrzeug nach Indien ( auf dem Landweg ) und kommen deshalb zwangsläufig durch Länder die als gefährlich bzw. bedenklich eingestuft werden, allen voran Pakistan gefolgt vom Iran. Dabei bin ich mir nach wie vor immer noch nicht sicher was wir tun werden, Pakistan umschiffen, oder durchfahren. Sieht und liesst man Reiseberichte aus jüngster Zeit von Leuten die durch diese Länder gekommen sind liest man nur Positives, abgesehen von der Armut die dort herrscht , um die es aber hier nicht geht. Das Auswärtige Amt hingegen warnt ausdrücklich vor Reisen dorthin, jetzt im Speziellen Belutschistan.
Im Unterschied zu afrikanischen Ländern, wo man eher der Überfallgefahr ausgesetzt zu sein scheint ist es in Pakistan wohl so zu sein dass man aufpassen muss nicht Opfer eines Anschlags zu werden oder „entführt“ zu werden ( auswärtiges Amt ). Dies sollen wohl die „Eskorten“ durch die örtliche Polizei verhindern , wobei ich mich da frage ob das so zielführend ist da meiner Meinung nach meist die Armee od. Polizei das Ziel von Anschlägen ist..und da wäre man ja dann dabei.
Was mir auch unklar ist , ist wieviel Politik bei den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes mit hinieinspielt. Ich habe mit Iranern u Pakistanis in Deutschland gesprochen und diese Menschen
empfinden diese Reisehinweise nur zum geringsten Teil als gerechtfertigt. Von dieser Seite hört man dass dies instrumentaliesiert wird um solche Länder auszugrenzen. ( auch eine Interessante Ansicht ).
Schlussendlich wird das eine Bauchentscheidung werden müssen die kurz davor gefällt wird und wir , wie auch jeder andere Reisende, werden es vor uns selbst verantworten müssen ob wir da hinfahren oder nicht.
Viele Grüsse, Robert Boric.
Hallo!
Wir waren 2013 in Iran mit den Rädern und wollen es wirklich nicht missen! Es war unser nr.1! Tolle Leute, fantastisches Land!
Ein ganz nützlicher Tipp die Website mit den Hinweisen vom französischen Aussenamt. Viel differenzierter als die allgemeinen Angaben auch hier in der Schweiz. Danke sehr!