Teheran
In Teheran sehen wir keine einzige Satellitenschüssel auf den Hausdächern. SAT-TV ist verboten, es gibt nur die staatlich zensierten Fernsehprogramme über Antenne.
In Afrika habe ich oft an dem Nutzen der Satellitenschüsseln gezweifelt. Menschen bekommen eine Welt gezeigt, zu der sie nie Zugang erhalten. Bedürfnisse werden geweckt, aber eine Befriedigung wird es nie geben. Vielleicht wären die Menschen glücklicher ohne die westlichen Fernsehprogramme?
Aber hier im Iran, nur mit selektierten einseitigen Berichten ist mir klar geworden, dass die Vorteile einer umfassenden Information zur Meinungsbildung durch SAT-TV die Nachteile der unbefriedigten Bedürfnisse mehr als wett machen.
Schade, der Iran verfügt über die größten Energiereserven an Öl und Gas auf der Welt. Was könnte man aus diesem Land alles machen, wenn die Mächtigen zum Wohle des Volkes handeln würden.
Zu Zeiten des Schah
Im März 1959 unterzeichnete der Iran ein Verteidigungsabkommen mit den USA und intensivierte seine politischen Beziehungen zu westeuropäischen Staaten. Am 23. Juli 1960 erkannte der Iran den Staat Israel an. Dieser Schritt führte zu Konflikten mit Ägypten und anderen Staaten der Arabischen Liga.
Frauen bekamen politische Rechte. Der Verschleierungszwang für Frauen wurde aufgehoben und Kleidung im westlichen Stil eingeführt. Generell erfolgte eine Hinwendung zum Westen und zur Übernahme westlicher Lebensformen. Das Land konnte ein beträchtliches Wirtschaftswachstum verzeichnen, der Lebensstandard der Bevölkerung stieg.
Dies endete 1979 mit der Islamischen Revolution, der Vertreibung des Schahs und der Rückkehr Khomeinis aus dem Exil. Es wurde eine neue Verfassung verabschiedet und das Land in eine Islamische Republik umgewandelt. Damit bestimmen die Prinzipien des Islam die sozialen, politischen und ökonomischen Grundlagen des Landes. Die höchste Autorität des Staates ist der Führer der Islamischen Revolution.
Nach der Islamischen Revolution wurden das Erziehungssystem und das kulturelle Leben islamischen Prinzipien angepasst, westliche Werte und Lebensstil zurückgedrängt. Die Frauen sollten wieder ihre traditionellen Rollen einnehmen, Kinos wurden geschlossen, Radiosender mussten ihren Betrieb einstellen. Die Frauen mussten in der Öffentlichkeit wieder den Tschador tragen, ein langes, schwarzes Tuch, das Körper und Kopf umhüllt.
Ausländische Investoren zogen sich zurück, die Wirtschaft brach ein.
Im April 1995 verhängten die Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Vorwurf der Unterstützung des internationalen Terrorismus gegen den Iran ein Handelsembargo. Internationale Organisationen werfen dem Iran wiederholt schwere Verstöße gegen die Menschenrechte vor.
Eines steht fest, die Iraner sind die freundlichsten Menschen, die wir bisher auf unseren Reisen getroffen haben. Bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen sind alle absolut korrekt, keiner nimmt höhere Preise von uns oder bettelt uns an. Die Iraner sind höflich und hilfsbereit ohne jeden Eigennutz. Viele bezeichnen ihren Präsident und die Mullahs als Irre, von fanatischen, fundamental religiösen Extremisten keine Spur. Das Bild, das in Deutschland über den Iran existiert, ist falsch.
Für Reisende ein sehr angenehmes Land. Überall gibt es tolle Übernachtungsplätze (wild), die Straßen erstklassig.
Wir können jedem empfehlen, den Iran zu besuchen, es lohnt sich.
Die Kosten sind absolut günstig. Mit 100 Euro kann man einen Monat über die Runden kommen, incl. Essengehen, Taxifahren, Eintrittsgelder und 1.500 Liter Diesel.
Preisbeispiele:
Coca-Cola 1,5 L = 0,26 Euro
Tortenstück bei Konditor (super gut) 0,15 Euro
Hühnchenkebab incl. Salatteller und Cola im Fastfood-Restaurant 1,40 Euro
100 Liter Diesel 1,40 Euro J
Taxifahrt quer durch die Stadt 1,50 Euro
Blaulicht
Wir fahren auf der Autobahn von Tabriz nach Teheran. Von hinten kommt ein Polizeiwagen, macht neben mir Blaulicht und Sirene an. Die rote Kelle kommt raus und wir stoppen auf dem Seitenstreifen. Mir gehen die letzten Minuten durch den Kopf, aber ich meine völlig korrekt gefahren zu sein, kein Überholmanöver, nicht zu schnell, einfach nichts.
Der Polizist steigt aus und kommt an meine Tür
„Hallo, wich contry?“
„I am from germany, Sir.“
“Wellcome to iran, have a nice time, goodbye.”
Er steigt in seinen Polizeiwagen und rast davon.
Gastfreundschaft
Durch einen netten Ex-Arbeitskollegen von Sabine haben wir Kontakt zu einer deutschen Familie in Teheran bekommen. Diese wollen wir besuchen. Monsen hat in Deutschland studiert und ist selbstständig, Sandra arbeitet im Büro einer deutschen Firma als Sekräterin. Beide wohnen und leben seit mehr als 20 Jahren in Teheran.
Wir treffen uns in ihrem Büro. Das Wachpersonal stellt uns einen Besucherausweis aus und wir dürfen hinter die hohen Mauern auf das Firmengelände, das sich Deutsche und Engländer teilen. Wir sind in einer anderen Welt, eine Europäische Oase. Ich muss umdenken, jetzt zuerst die Damen begrüßen, natürlich mit Händedruck, dann erst die Herren. Natürlich läuft hier niemand mit Schleier, sondern sommerlich gekleidet wie in jedem anderen Büro in Deutschland. Nur wenn sich die großen Stahltore öffnen und die Mitarbeiterinnen das Firmengelände verlassen, wird das Kopftuch und ein langer Mantel ohne Gürtel, denn die Figur darf nicht betont werden, angezogen. Die Mitarbeiter scheinen eine große Familie zu sein. Der Geschäftsführer lädt uns zum Tee ein und anschließend fahren wir zu Sandra nach Hause.
Monsen und Sandra wohnen ca. 25 Kilometer außerhalb Teherans am Fuße der Berge in klarer Luft und entfernt von Hektik und Stress der Millionenstadt. Ihr Haus ist überwältigend:
750 qm Wohnfläche, Schwimmbad, eigener kleiner Sportplatz, Fitnessstudio und Sauna im Keller. Kaminzimmer, mehrere Bäder, Gästesuite Sonnenterasse etc. verstehen sich von selbst. Am anderen Ende des Gartens ist die Wohnung des Hausmeisters und seiner Frau, die im Haushalt hilft.
Am Abend ist Monsen von seiner Familie ins Restaurant zum Essen eingeladen. Natürlich werden wir miteingeladen und machen uns auf den Weg. Wir sind überrascht, 80 bis 100 Gäste sind geladen, nur mal so, ohne wichtigen Anlass. Bei Hochzeiten sind mindestens 300 Personen für mehrere Tage zu bewirten, wer das nicht kann gilt als ärmlich. Arm ist die Familie von Monsen sicherlich nicht, man macht Urlaub in Dubai oder USA, auch mehrmals im Jahr oder fliegt zur Fußball-WM nach Deutschland. Häuser unter 300qm Wohnfläche sind für Monsen Wochenendhäuser, von denen er mehrer besitzt. Wir verschweigen, dass unsere letzte Wohnung nur ca. 100 qm hatte.
Im Restaurant
Es ist ein großes Büffet aufgebaut. Ich freue mich, kann ich doch von allen persischen Köstlichkeiten probieren, nur wo fang ich an? Nach dem zweiten Teller ist mir klar, ich werde nicht alles schaffen, zuviel verschiedenes wird angeboten und alles super lecker. Plötzlich wird das Büffet abgeräumt. Wie unhöflich denke ich, vielleicht hätte ich ja noch einen dritten Teller essen wollen. Doch dann werden neue Platten aufgetragen. Das komplette Büffet ändert sich, das erste war nur die Vorspeise, jetzt kommen die Hauptgerichte und für die Nachspeise ändert sich das Ganze nochmals komplett. Verschiedene Kuchen, Puddings, Cremes und Eis wird aufgetragen und natürlich alle Früchte, welche die Welt zu bieten hat.
Nach der Nachspeise stehen plötzlich alle auf und fahren nach Hause, ein gemütliches beisammen sein nach dem Essen gibt es nicht.
Wir bleiben fünf Tage, verstehen uns mit Sandra und Monsen auf Anhieb gut. Ich bewundere Monsen´s Einstellung und Ansichten. Für ihn ist es z.B. selbstverständlich, dass seine beiden Töchter in Deutschland studieren. Für viele andere aus dem islamischen Kulturkreis wäre es undenkbar, eine unverheiratete junge Dame (dazu noch hübsch, clever und nett) allein in ein anderes Land zu schicken.
Wir unternehmen viel, Monsen und Sandra wollen uns viel von Teheran zeigen, merken aber bald, dass wir rechte Kulturmuffel sind, kein rechtes Interesse an alten Steinen, Gräbern und Moscheen haben, dafür mehr an Gesprächen über Politik und die Lebensweise im Iran interessiert sind.
Interessant war ein Abend mit Bürokollegen von Angelika.
Früher, zu Schahs Zeiten gab es über 25.000 Deutsche in Teheran, heute sind es nicht mehr viele, dafür werden die wenigen aber hofiert. Natürlich wird man regelmäßig vom Botschafter eingeladen, lernt schnell Manager der internationalen Konzerne kennen und ist daher gut informiert, was politisch und gesellschaftlich passiert und wer mit wem welche Geschäfte wie macht.
Die Mitarbeiter sind ebenso interessant. Es gibt welche, die großen Spaß haben, an der Herausforderung eines fremden Landes, die könnte man irgendwo auf der Welt absetzen und die kriegten in wenigen Tagen alles organisiert und auf die Reihe, bei Anderen frage ich mich, warum sind die hier, wären die in Deutschland nicht besser aufgehoben und im Extrem frage ich mich, wer hat den ins Flugzeug gesetzt und seinen Koffer gepackt, allein wäre der nie hier angekommen, aber nett ist er trotzdem, halt nur völlig hilflos, kriegt noch nicht mal ein paar Tassen, Gläser und Teller gekauft. Man kriegt schon fast Mitleid.
Dabei gibt es hier in Teheran alles zu kaufen. Computerläden mit neuester Technik, große Musikgeschäfte mit E-Gitarren, Klaviere etc. Deutsche Bäckerei, amerikanisches Fast-Food, Waschmaschine und Geschirrspüler von Miele oder Neff. Es gibt wirklich alles, genau wie in Frankfurt oder Köln. Alkohol und Pornos natürlich nur unter der Ladentheke, aber genau so gut sortiert wie in Deutschland (zumindest der Alkohol, das Andere kann ich nicht beurteilen), allerdings zum drei- bis vierfachen Preis.
Autofahren in Teheran
Gefahren wird wie in Kairo, Casablanca oder Damaskus. Man kann es vergleichen mit Autoscooter auf dem Jahrmarkt, nur das hier noch Fußgänger und Mopedfahrer dazu kommen. Mir macht das Fahren großen Spaß, vielmehr als in Deutschland, es scheint keine Ordnung und Regel zu geben, allerdings muss ich mich hoch konzentrieren, um den Verkehr im Überblick zu haben.
Noch mehr Spaß macht es bei Monsen in seinem Geländewagen mit zu fahren. Immer wenn ich denke: „Oh, das gibt jetzt eine Beule“, passt es auf den Zentimeter.
Auf der Autobahn ist viel Verkehr wir wechseln von der fünften Spur auf den Standstreifen, überholen zwei Autos rechts und wieder quer rüber auf die dritte Spur, alles mit Vollgas und Handy am Ohr. Aber so fährt jeder. Verkehrt in eine Einbahnstraße, die Tachonadel erreicht die 50iger Marke, keiner stört sich daran.
„Sag mal Monsen, fährst du lieber hier oder in Deutschland Auto?“
„Lieber hier, in Deutschland muss ich Blinken, wenn ich mich falsch eingeordnet habe muss ich abbiegen obwohl ich das gar nicht will, ich muss in den Rückspiegel sehen, auf Ampeln, Schilder und Radfahrer achten. Hier ist es ganz einfach, hier muss ich nur fahren, hier ist für mich nur das Existent, was ich sehe.“
Alles ganz anders
Satelliten-Fernsehen ist verboten, aber überall finden sich versteckte Schüsseln. 80% der Iraner gucken per Satellit. Gelegentlich kommt ein Revolutionswächter oder wie auch immer sich die Sittenwächter nennen und beschlagnahmt die Schüssel, aber in Teheran kann man jederzeit für ca. 100 Euro eine neue Schüssel kaufen. Die Bürger sind also gut informiert.
Die Schulpflicht beträgt zwar nur fünf Jahre, aber für die Eltern, auch aus unteren Schichten, ist es eine große Ehre wenn die Nachkommen eine weiterführende Schule besuchen. Daher wird sich eher verschuldet, Nachhilfe gegeben etc., als nach der fünften Klasse abgegangen.
Die Iraner sind überwiegend Schiiten und ihre Moscheen haben in der Regel kein Minarett und fallen daher in der Wohnbebauung kaum auf.