High-Tech-City
High-Tech-City
Wir fahren durch Hyderabad, eine Millionenstadt mitten in Indien. Ich würde gerne ein Eis essen, traue mich aber nicht, weil ständig der Strom ausfällt und ich auch noch keinen Kühllastwagen gesehen habe. Die Stadt duftet wie jede andere auch. Wir fahren dicht hinter einem Stadtbus her, der mit seiner Hupe eine Gasse durch den Brei aus Menschen und Blech bahnt. Rücklichter sind kaputt, eine Fensterscheibe an der Seite durch ein Holzbrett ersetzt, die Motorabdeckung fehlt, der Blinker ist aus der Karosserie gerissen und baumelt funktionslos an seinem Kabel an der Seite. Ein schrottreifer Stadtbus, wie er auch in Bamako, Ouagadougou oder einem anderen Entwicklungsland fahren könnte. Aber der Unterschied besteht in dem Fahrtzielanzeiger. Hier steht nicht „Neustadt“, „Bahnhof“ oder „Zentrum“, sondern „High-Tech-City“.
Als ich das Schild entdeckte, war für mich klar: „Da muss ich hin.“
hitech
„Sabine, der fährt zur High-Tech-City, da gibt es bestimmt eine funktionierende Kühltruhe mit Eis.“
Also hinter dem Bus her. Vorbei an gammeligen Hochhäusern, entlang des Abwasserkanals, der nicht nur das Abwasser, sondern auch den Plastikmüll entsorgt. Der Bus biegt rechts ab, wird schneller. Plötzlich weicht er nach links aus, eine Fußgängergruppe springt zur Seite, die heilige Kuh bleibt unbeeindruckt in der Straßenmitte stehen. Lieber einen Kastenlosen unter die Räder nehmen, als eine heilige Kuh. Andere Prioritäten eben.
Dann sind wir in High-Tech-City. Ein Firmengelände eingezäunt mit Maschendraht. An den Bürofenster hängen windschiefe, rostige Klimaanlagen aus denen das Kondenswasser tropft und ein grünes Rinnsaal der Hauswand entlang läuft. Auf dem rostigen Blechschild, das schief mit Bindedraht am Zaun befestigt ist steht „Biotech-Labor“ und mit Hand unten drunter gepinselt „Zertifiziert nach ISO 9001“.
Nebenan ein großes Büro mit einem ebenso handbemalten Schild „Web-Design“.
Ein Stück weiter auf einer großen Wiese dann wohl die wahre High-Tech. Eine großes Bio-Tech-Labor. Alles sieht ordentlich aus, im Garten stehen riesige Notstromaggregate, die mehrmals am Tage zum Einsatz kommen, wenn wieder mal die Stadtwerke nicht liefern können. Auf der Wiese vor dem Eingangstor und entlang des Werkzaunes hat sich ein Slum gebildet. Vielleicht 100 Bretter- und Zellefanbuden stehen hier, und ein vielfaches an Menschen lebt hier, ohne jede Versorgung und erst recht keine Entsorgung.
Eis traue ich mich hier keines zu essen.
Deutschland zittert vor der neuen Wirtschafts- und Industriemacht Indien und alle erzählen von der Goldgräberstimmung hier im Land und ich finde nicht mal eine funktionierende Kühltruhe. Gut, vielleicht gibt es in Bangelore einen Stadtteil in dem es den Indern gelingt eine Kühltruhe 24 Stunden mit Strom zu versorgen, aber den muss man erst mal finden.
„Die glauben sie könnten Europa und Amerika überholen? Das glaub ich erst, wenn ich die Kühltruhe sehe,“ belustige ich mich auf der Weiterfahrt.
In New Delhi ist es dann soweit. Es gibt alles. Fast europäischer Standart. Eisdielen, französische Spezialitäten, Mercedes, BMW und Porsche und Büros aller namhaften Firmen.
Wir warten auf unser Visum für den Iran, der Zeitungshändler bringt mir jeden Tag die Indian-Times und eine Wirtschaftszeitung ans Auto.
Inderin
Stellenanzeigen in rauen Mengen. Ingenieure aller Richtungen, Manager, Banker, Sekretärinnen, einfach alles wird gesucht. IBM sucht genau wie Siemens, Microsoft, Google, Sony oder Shell. Und natürlich die Bio-Tech-Firmen.
Die Inder gelten als sehr gut ausgebildet (deutlich besser als Chinesen).
Es werden Top-Gehälter (für indische Verhältnisse) geboten.
Sekretärin gesucht: fließend Englisch, perfekte Office-Kenntnisse, mindestens 5 Jahre Berufserfahrung. Geboten: 150 Euro im Monat.
Gesucht werden Ingenieure mit 10 Jahren Berufserfahrung für leitende, eigenverantwortliche Funktion. Geboten: 500 Euro pro Monat. Einen SAP-Programmierer und Schulungsleiter für 250 Euro, einen Fahrer für 80 Euro und einen ungelernten Arbeiter gibt’s schon für 70 Euro im Monat.
Ausschnitte aus der Wirtschafts-Zeitung
Hindustan Times 09.03.2007
Tata Steel kauft weitere drei Stahlwerke auf.
The Times of India 10.03.2007
Siam (Indische Autofabrik) verkaufte im Februar 46,5% mehr Personenwagen als im Vorjahr. 92.594 Einheiten nach 63.213.
Maruti verkauften 57% mehr Autos. Moped Produktion stagnierte bei plus 6%.
Indien bestellt 415 neue Flugzeuge und stellt 5.000 neue Piloten ein.
Indien erhöht die Beteiligung an der Venezuelanischen Ölgesellschaft San Christobal von 30 auf 49%, um den steigenden Ölbedarf zu decken.
DP World plant, 2 Milliarden US-Dollar in fünf neue Container Terminals zu investieren.
Indian Oil Corp (IOC) investiert 1,5 Milliarden US-Dollar in Ölfelder in Kongo.
Derzeit sind 40 Millionen Inder Online. Die Wachstumsrate liegt bei 700% und übersteigt die von China mit 486% deutlich. In ein paar Jahren werden mehr Inder Online sein als Europäer.
Stahlproduktion steigt auf 44 Millionen Tonnen. In den nächsten 10 Jahren soll die Produktionskapazität verdreifacht werden und Indien wäre hinter China der zweitgrößte Stahlproduzent der Welt.
Die Supermarktkette Spencer eröffnet ab April täglich einen Supermarkt bzw. Hypermarkt, ab Oktober werden täglich zwei neue Märkte eröffnet. In den nächsten drei Jahren sollen 4.000 neue Filialen entstehen.
Stahlmagnat Mittal (der, der Arcelor kaufte) ist mit 32 Milliarden US-Dollar der reichste Mann Indiens und die Nummer fünf der Welt. Nach der aktuellen Forbes-Liste hat Indien 36 Milliardäre und damit mehr als Japan.