Mauretanien – Chinguetti
Wir sind auf der Rückfahrt vom Krater Guelb er Richat. Anstatt der guten Piste über das Felsplateau wählten wir den schwierigeren, aber landschaftlich viel schöneren Weg durch die Dünen nach Chinguetti.
Ein junger Mann bietet uns seine Hilfe an. Wir brauchen Wasser, möchten ein paar Lebensmittel (Kartoffeln, Zwiebel, Cola) kaufen, uns den Ort ansehen und einen preiswerten Camping finden. Alles kein Problem. Wir könnten im Garten seiner Familie campen, Wasser bei seinem Haus bekommen, seine Familie könnte für uns kochen wie im Restaurant, er wäre so froh, wenn seine Familie etwas Geld verdienen könnte. Okay, die Chance sollen sie haben, zumal die Preise wirklich günstig sind. Wir bestellen Tagine für 19 Uhr in seinem Haus.
Wasser gibt es dann doch keins, Wasser wird seit Tagen für die Hotels gebunkert. Montag kommen die ersten Touristen und die wollen natürlich in der Wüste duschen.
19 Uhr – Essen wie im Restaurant
Wir betreten das Grundstück durch nur noch an einer Angel hängende Eisentuer. Im Innenhof liegt Müll, vom Altölkanister über Kartoffelschalen hin zu leeren Fischdosen.
Gegenüber der Eingangstuer steht ein Nomadenzelt, vor dem auf einer Matte die Familie im Kreis sitzt. Links ein Lehmhaus ca. drei mal fünf Meter ohne Möbel, lediglich ein paar Decken liegen auf dem Boden und rechts ein Lehmofen.
Wir setzen uns zu der Familie im Kreis, heute ist der erste Tag des Ramadans, gleich ist die Sonne weg und es wird gegessen. In der Mitte des Kreises steht der Weltempfänger aus dem ein religiöser Sprechgesang ertönt. Der Einzige der ernsthaft dem Radio lauscht, ist ein alter Mann, wohl das Familienoberhaupt.
Auf einem Tablett stehen sechs Tassen, scheinbar gefüllt mit schmutzigem Aufwaschwasser. „Ganz schön clever“ denke ich mir, versammeln sich doch alle Fliegen auf den Tassen und man muss nicht ständig die Plagegeister aus dem Gesicht vertreiben. Ich hätte die Tassen nur an eine andere Stelle gestellt, sehen ja nicht sonderlich appetitlich aus, ich gucke am besten nicht so oft hin, dann wird mir auch nicht schlecht.
Endlich, der Prediger im Radio gibt das Signal zum Essen.
Mit einer schnellen Handbewegung vertreibt die alte Frau die Fliegen und reicht mir eine der Tassen mit Getreidesuppe. Mir wird übel.
Zwei Stimmen in mir reden auf mich ein: “Aus Höflichkeit wirst du wenigstens probieren“. „Fass die Tasse nicht an, sonst spuckst du mitten ins Zelt“, „Ist doch nur Wasser und Getreide, esse ruhig“, „Probier auch nur einen Schluck und der Abend ist beendet, lass dir was einfallen.“ Ich spüre Schweißperlen auf meiner Stirn. Endlich die Tasse wird an meinen Nachbarn weitergereicht, auch Sabine hat sich erfolgreich gedrückt.
Als nächstes macht eine Schüssel mit Wasser und geronnener Ziegenmilch die Runde. Jeder greift in die Schüssel und rührt die sich absetzende Milch mit der Hand auf.
Ich drücke mich wieder erfolgreich. Ich würde das Doppelte des Menüpreises zahlen, wenn ich ohne zu essen gehen könnte.
Endlich eine Teerunde. Das dritte Glas halte ich fest, so kann ich bei jedem weiteren Gang sagen: „Ich habe noch Tee, Danke“. Ich gebe das Teeglas nicht mehr her.
Die Tagine wird gebracht. Sieht gut aus, frisch gekocht, ohne Fliegenschwarm. Die Tagine besteht aus Kartoffeln, Zwiebel und Hühnchen und schmeckt. Wir essen uns satt.
Gegen 22 Uhr fahren wir in den Garten.
Der Garten liegt zwei Kilometer außerhalb in einem Palmenhain, ein schöner Platz für die Nacht. Hier sind wir allein mit Ziege, Esel und Kamel. Und einem Hahn, wie wir am nächsten Morgen im Morgengrauen feststellen, vorbei die himmlische Ruhe. Hätte ich das geahnt, hätte ich am Abend vorher ein Hühnchen extra bestellt.