Mali – Dogon
Wir fahren ins Land der Dogon östlich von Mopti.
Die Dogon leben entlang einer ca. 150 Kilometer langen und 300 Meter hohen Felswand aus Sandstein. Die Dörfer kleben teilweise in der Felswand und sind nur durch Fußwege zu erreichen. Aufgrund ihres relativ isolierten Lebensraum haben sie ihre alten traditionellen Riten und ihren Maskenkult beibehalten, trotz einer massiven Islamisierung und zahlreicher Touristen.
Wir fahren in den Ort Songo, wo unter einem Felsüberhang ein Initiationsplatz liegt, auf dem die Jugendlichen nach altem Kult durch die Beschneidung in die Glaubens- und Erwachsenenwelt eingeführt werden.
Die Beschneidung der Mädchen ist inzwischen offiziell verboten, ob sie noch durchgeführt wird, wollte uns keiner sagen.
Für die Besichtigung des Ortes ist eine Gebühr von 1,20 Euro zu zahlen und ein Führer ist obligatorisch, dieser kostet ebenfalls 1,20 Euro. Unser Führer spricht gut Englisch und ist der Dorflehrer. Wir können fotografieren, bekommen viele Dinge erklärt und werden auf dem Rückweg zum Dorfplatz, wo unser Deutz steht, gefragt, ob wir eine der drei Wasserpumpen des Dorfes reparieren können.
Die Reparatur
Die Pumpe ist eine der vielen Handpumpen, wie sie als Entwicklungshilfe zahlreich nach Mali geliefert wurden. Sie ist demontiert und ein Pumpenteil steckt im Brunnen in 25 Meter Tiefe fest.
Wir sollen es mit dem Deutz nach oben ziehen, Esel und Pferd seien zu schwach. Schnell ist der Deutz geholt und das Seil eingehackt. Das Seil spannt sich und reißt. Inzwischen ist das ganze Dorf am Brunnen versammelt. Das Seil wird geknotet und doppelt genommen. Ich drehe den Deutz um, damit ich mit der Seilwinde gleichmäßiger ziehen kann. Neuer Versuch. Der eiserne Haken, der in der Tiefe an der Pumpe befestigt ist, biegt sich auf und rutscht ab. Der Dorf-Schmied muss kommen. Ein neuer Haken wird schnell mit einfachsten Mitteln gebogen. Der Schmied ist ein wahrer Meister. Beim erneuten Versuch bricht der Haken ab.
Inzwischen ist es später Nachmittag. Wir brechen ab. Über Nacht soll der Schmied einen neuen Haken bauen. Wir dürfen kostenlos auf dem Campingplatz übernachten. Der Buergermeister lässt uns Reis mit Hühnchen zum Abendessen bringen. Die Souvenirhändler beschenken uns und die Bauern bringen einen großen Korb mit Erdnüssen. Man ist wirklich dankbar für unsere Hilfe, auch wenn sie leider erfolglos blieb.
Schluss mit Lustig
Im letzten Sonnenlicht kommt eine Frau mit ihrem vielleicht sechsjährigen Mädchen zu uns und zeigt uns eine fürchterliche Wunde am Bein des Kindes. Der Verband, bestehend aus einem Stofffetzen war seit Tagen, vielleicht noch nie gewechselt worden und entsprechend schmutzig. Fliegen umschwärmten die Wunde und waren in großer Zahl unter dem Verband. Grausam. Sabine reinigte und desinfizierte die eitrige Wunde und legte einen neuen Salben-Verband an. Mich ärgerte es, dass die Mutter nicht sorgfältiger die Wunde versorgte, doch scheinbar hatte sie von Hygiene noch nie etwas gehört.
Inzwischen waren zahlreiche Kranke und vor allem Mütter mit Kindern um unser Lager versammelt. Wir waren geschockt von den deutlich unterernährten und mangelernährten Kindern, vor allem Mädchen. Fast alle Kinder waren übersät mit eitrigen Hautinfektionen und scheinbar seit Wochen nicht gewaschen worden. Hygiene – noch nie gehört.
Ich will, dass der Dorflehrer kommt. Er soll mir sagen, warum die Mütter ihre Kinder so verwahrlosen lassen, warum sie die Infektionen nicht behandeln, warum sie nicht zum Arzt gehen.
Die Antwort des Lehrers ist einfach, das Krankenhaus ist zu weit weg, der Arzt und Medikamente zu teuer.
Ich mache den Vorschlag, dass wir einen weiteren Tag bleiben, ich am nächsten Morgen die schlimmsten Infektionen fotografiere und zum Krankenhaus fahre, um die Behandlung mit einem Arzt zu besprechen.
Der Lehrer ist einverstanden.
Am nächsten Morgen nehmen uns zwei Touristen aus Frankreich in ihrem Gelaendwagen mit in die 12 Kilometer entfernte Stadt Bandiagara. Der Arzt im Krankenhaus ist überhaupt nicht begeistert von meiner Idee.
„Die Touristen sollen aufhören irgendwelche Medikamente in der Bevölkerung zu verteilen, gebt eure Medikamente hier im Krankenhaus ab und kümmert euch nicht um Dinge, die euch nichts angehen.“ Schock, mit der Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Wie naiv sind wir eigentlich ? Was machen wir hier überhaupt ? Warum sitzen wir nicht mit den anderen Touristen in einem guten Restaurant und zeigen den hungernden Kindern auf der Strasse, wie viel leckere Sachen in so einen weißen Bauch rein gehen ?
(Abends hören wir auf der Deutschen Welle im Radio, dass es in Deutschland ein Gesundheitsprogramm gegen die Fettleibigkeit von Kindern geben soll.) „Würden wir einfach Medikamente verteilen, wären wir jetzt nicht hier. Wir möchten eine medizinische Beratung und zahlen auch dafür.“
Wir werden in ein Büro geführt und warten. Nach 15 Minuten kommt der Arzt in Begleitung einer belgischen Ärztin, die Deutsch spricht.
Wir erläutern unsere Idee: Ich möchte am Abend in der Dorfschule ein Kurs in Hygiene anbieten. Wie man durch Auskochen von Stoff einen sterilen Verband herstellen kann, wie man mit abgekochtem Wasser und etwas Salz Wunden reinigen kann, wie wichtig es ist, Wäsche nicht im Fluss zu waschen, sondern zu kochen, insbesondere bei Erkrankungen durch Würmer und Milben.
Die Atmosphäre entspannt sich, die Ärzte erzählen, das es viele solcher Kurse gegeben hat, in jedem Dorf ist ein Hygienebeauftragter, der auch eine kleine Sanitäterausbildung hat, aber die Bewohner sind zu nachlässig.
Kinder werden in der Regel nicht zum Arzt gebracht, Mädchen schon gar nicht. Wenn ein Kind stirbt ist das der Wille der Geister, im nächsten Jahr gibt es ein neues Kind. Das zu zeugen ist einfacher und billiger als der Arztbesuch.
Kranke Kinder werden den Touristen gezeigt, weil viele Touristen dann Geld für Medikamente geben, doch das Geld wird für andere Dinge ausgegeben.
Im übrigen kostet eine medizinische Untersuchung mit Diagnose soviel wie eine Flasche Bier und die Entfernung spielt keine Rolle, laufen die Väter und Mütter doch jede Woche auf den Markt in die Stadt. „Das Leben ist grausamer als man es sich vorstellt“ ,sagte die Ärztin.
Ich zeige den Ärzten die Bilder, alle Infektionen kommen durch Mangelernährung und mangelnde Hygiene.
Die Reparatur zweiter Teil
Wir kommen aus der Stadt zurück und werden bereits erwartet.Der Schmied hat einen neuen Haken gefertigt. Dazu wurde aus einem der vornehmeren Häuser ein Fenstergitter ausgebaut und zu einem Haken gebogen.Wir fahren zum Brunnen, das Dorf ist bereits versammelt. Doch bevor es los geht muss der Iman aus der Moschee kommen und seinen bzw. Gottes Segen geben. Diskussionen beginnen, schließlich kommt man zu der Überzeugung, das der Zauberer mit dem Haken zum Ritualienplatz geht und das Vorhaben mit den Geistern und Ahnen bespricht.
Inzwischen bringt jemand ein neues Seil und dann geht es los. Das Seil spannt sich und tatsächlich kommt die Pumpe Meter für Meter nach oben. Wir freuen uns und auch das Dorf ist euphorisch.
Plötzlich ein Schlag, der Haken bricht und das Seil reißt gleichzeitig. Wir sind traurig. Die Bewohner gehen in ihre Hütten.
Den Nachmittag verbringen wir auf dem Campingplatz und bereiten uns auf den Kurs am Abend in der Schule vor. Der Lehrer ist dabei und soll übersetzen, er ist wirklich ernsthaft an Allem interessiert. Ich möchte den Hygienebeauftragten des Dorfes sehen und werde zu ihm geführt. Mich trifft fast der Schlag. In seiner Hütte lagern zahlreiche Medikamente, dazwischen Lebensmittel und dreckiges Geschirr. Ratten laufen in den Ecken entlang. Hygiene – noch nie gehört.
Am Abend nach der Moschee ist es so weit. In der Schule versammeln sich neun Männer. Genau diejenigen, die jeden Abend in die Schule kommen und vom Dorflehrer unterrichtet werden. Alle sind sehr interessiert und aufmerksam. Vom Rest der Dorfleute kommt leider niemand, wie der Arzt es schon vermutet hatte.
Die Nacht dürfen wir wieder kostenlos auf dem Camping übernachten. Wieder bringt uns das Dorf ein Hühnchen mit Reis. Am nächsten Morgen ist wieder die Mutter mit dem Mädchen bei uns und möchte, das wir den Verband wechseln. Abdulai, der Dorflehrer soll sie nach Hause schicken. Sie soll Feuerholz und Wasser holen und wir zeigen ihr, wie sie den Verband selbst wechseln kann.
Eine Viertelstunde später sitzen wir bei ihrer Hütte. In einem gusseisernen Topf ohne Henkel kocht Wasser. Darin ein Stoffstreifen, den wir als Verband nehmen wollen. Fünf Minuten lassen wir das Wasser brodeln, erklären ausführlich die Wichtigkeit des Kochens. Sabine wäscht sich demonstrativ intensiv die Hände mit Seife.
Als die Frau den Topf vom Feuer nimmt, traue ich meinen Augen nicht. Hätte ich es im Fernsehen gesehen, würde ich sagen es ist ein Trick. Sie greift mit bloßen Händen unter den Topf, nimmt ihn von der Glut und stellt in zwei Meter weiter auf den Boden.
Wir lassen den Stoffstreifen trocknen, berühren ihn nur an einem Zipfel und fertigen daraus einen Verband.
Jetzt hoffen wir, das der Verband jeden Tag gewechselt und ausgekocht wird. Der Lehrer versprach jeden Tag nach dem Mädchen zu sehen und an den Verbandwechsel zu erinnern.