Raptor erbeutet Flugente
Vorab: In Marokko und Mauretanien sind UAVs (Unmanned Aerial Vehicles), wie die Drohnen offiziell heißen, verboten oder sagen wir mal harmloser, unerwünscht, oder noch harmloser, nicht gerne gesehen. Wir berücksichtigen dies und fliegen nur dort, wo es nicht gesehen wird.
Atar liegt keine 20 Kilometer hinter uns, wir sind auf eine Piste in kleines Seitental in nordwestliche Richtung abgebogen. Kleine Ortschaften, mehr Hüttenansammlungen als Orte, liegen malerisch vor der Abbruchkante des Plateaus.
„Hier mal mit dem Carbonvogel über die Hütten fliegen, das wäre es“, denke ich. Viele Menschen sehen wir nicht, das Verhandeln über die Flugerlaubnis wäre schnell erledigt und mittelmäßig kompliziert.
Die Sonne steht fast richtig, in einer Stunde ist ideales Fotolicht. Also runter vom Gas und vor einer Hütte gestoppt. Sofort umringen uns Kinder. Die Häuser sind mit Gras gedeckt, teils als Rundhütte mit Stöcken und Ästen gebaut, teils mit Natursteinen und rechteckigem Grundriss. Bei dem von uns angesteuerten Grundstück, eingezäunt mit Stacheldraht, stehen vier Häuser, ein Nomadenzelt und in der Ecke befindet sich eine Feuerstelle.
Vier Frauen begrüßen uns zurückhaltend aber freundlich. „Ich möchte gerne den Herrn, den Chef der Familie, wegen einem Foto sprechen.“
Die Aussichten auf die Erlaubnis stehen schlecht, wir haben den Patron im tiefen Mittagschlaf geweckt. Verschlafen schlürft er auf uns zu. Und zu unser Überraschung antwortet er: „Kein Problem, ihr könnt alles fotografieren.“ „Ich habe einen kleinen Helikopter für meine Kamera dabei, kann ich damit mal aufsteigen und von oben fotografieren?“ „Ja, warum nicht, das ist doch kein Problem.“
Seid ihr illegal hier?
Ich trage die hölzerne Transportkiste mit unseren Carbonvogel aufs Grundstück und befestige Kamera und Akkusätze. Der Hausherr hat „so etwas“ schon im Fernsehen gesehen und ist jetzt ganz wild darauf, zum ersten Mal in seinem Leben, eine Drohne live fliegen zu sehen. „Guck mal da“, ruft Sabine mit einem Unterton der Panik. Auf der Piste fährt ein Militärkonvoi bestehend aus leicht gepanzerten Land Cruiser HZJ 79, mit Lafette bewaffnet und ungepanzerten Land Rover vorbei, dazu drei Renault Truppentransport Lkw, insgesamt bestimmt 30 Fahrzeuge. Ich packe den Kopter ganz schnell wieder ein.
In Mauretanien ist der Besitz von Drohnen verboten. „Was ist los?“, will der Patron wissen. „Ich habe keine Genehmigung vom Militär.“ „Habt ihr ein Visum oder seid ihr illegal in Mauretanien?“, fragt mich der Hausherr mit einem Ernst, als sei die illegale Option völlig normal. „Wir haben ein Touristenvisum.“ „Als Tourist könnt ihr in Mauretanien machen was ihr wollt, da sagt niemand etwas.“ „Da bin ich mir nicht so sicher. Ich will trotzdem erstmal mit dem Chef vom Militär sprechen.“ „Die haben doch nichts dagegen, das kann ich mir nicht vorstellen. Ihr seid doch Touristen.“ Ich darf gar nicht daran denken, zwei Minuten eher wäre meine Drohne – und die ist ein ordentlicher Brummer – über den Militärkonvoi hinweg geflogen.
Kein Problem
„Das ist kein Problem, oben auf dem Hügel ist der General.“ Und schon rennt er los, die Kinderschar hinter her. „Ich will nur noch hier weg, geordneter Rückzug, auf keinen Fall zum General wegen meiner Drohne“, schießt es mir durch den Kopf. Ich renne hinter her. Vor zehn Minuten noch schläfrig schlürfender Gang und jetzt ist der Alte wieselflink.
Sabine hat noch die Kamera in die Kiste geräumt und kommt hinterher gerannt. Die Kamera wäre mir jetzt egal, deren Verlust wäre das kleinere Übel. Der Patron lässt sich nicht aufhalten und es bahnt sich eine gute Geschichte für die Webseite an, deren Ausgang man sich denken kann: Beschlagnahmung der Drohne, Inhaftierung, Verhöre, Gerichtsverhandlung, Ausweisung. Wenn wir in der Zukunft kein Visum mehr bekommen, ist für uns der Weg nach Westafrika auf dem Landweg zu. Und das Ganze wegen einem scheiß Hüttenbild, welches ich noch nicht mal habe.
Auf dem Grundstück oben auf dem Hügel stehen verbeulte, nicht mehr fahrbereite, Dodge und Hummer Geländewagen in Tarnfarbe, ebenso Mercedes G und Land Cruiser. Für einen „General“ hat er wenig Sterne auf der Schulter, ist wohl Hauptmann vom Rang und zu meiner großen Überraschung und Freude, er ist Franzose.
„Wir sind Touristen und ich wollte fragen, ob ich ein paar Bilder von den wunderschönen Grashütten im Tal machen kann.“ „Mit einem Mini-Helikopter“, fügt der Alte hinzu. Genau das wollte ich vermeiden. Der bringt uns noch in den Knast.
„Das tut mir wirklich Leid, aber wir haben eine Übung und heute darf hier nicht fotografiert werden. Aber ihr könnt weiter durch das Tal fahren, stört euch nicht an den Militärfahrzeugen und den Soldaten.“ Der „General“ gibt mir sein Fernglas und zeigt auf eine Stelle im Tal. Zwölf Soldaten pirschen sich in Vierergruppen versetzt an ein Haus an und „spielen“ dessen Einnahme. Ein Stück weiter verschanzen sich Soldaten hinter ihrem gepanzerten Land Cruiser, keine Ahnung was die „spielen“. Dazwischen ist das ganz normale Dorfleben, Frauen und Kinder.
„Was habt ihr denn für einen Helikopter?“, fragt der Franzose neugierig. „Och, nichts Besonderes, ein Spielzeug und ich wollte sein Haus von oben fotografieren.“ „Das lasst mal besser bleiben, aber ich habe was für euch, wartet einen Moment.“ „Der geht jetzt in die Baracke und holt den Wisch für die Beschlagnahmung und den Haftbefehl“, flüstere ich Sabine zu. Mit einem Karton unter dem Arm kommt er zurück: „Hier, ein kleines Geschenk der Französischen Armee, lasst es euch schmecken.“ Auf dem Karton steht „Menu N°. 6 “.
Der Inhalt ist eine Essensration für einen Tag mit Schokolade, Plätzchen und – treffender könnte es nicht sein – Flugente. Auf dem Weg zum Auto erfahren wir vom Patron, dass die Franzosen öfters hier im Tal mauretanische Soldaten ausbilden und trainieren. Nie hätte er gedacht, dass Touristen das Manöver nicht fotografieren dürfen. Zwar ohne Luftbild, aber froh und zufrieden verlassen wir den Ort des Geschehens. Ich gebe etwas mehr Gas als sonst, ich will nur noch weg.
Hallo Ihr Zwei,
danke für diesen sehr unterhaltsamen Artikel. Wir waren gerade in Chile und haben gar nicht erst versucht, unseren Kopter im Flugzeug mitzunehmen. Dabei gibt es in der Atacama so tolle Motive, aber es ist halt nur mit einem aufwändigen Anmeldeprocedere möglich, was wir für 4 Wochen Urlaub nicht durchlaufen wollten. Auf der Osterinsel waren Kopter sogar ganz verboten.
Inzwischen wird man in Deutschland ja schon oft schief angeschaut, wenn man den Vogel nur auspackt. Wir fliegen fast nur noch in einsamen Gegenden und am besten morgens oder abends.
Das Armeemenü hat Euch hoffentlich geschmeckt, auch wenn das Verfalldatum schon etwas überschritten ist 😉 Wir wünschen Euch weiterhin interessante Reisen.
Ab Oktober nächsten Jahres sind wir auch frei!
Viele Grüße von Uwe & Bianka