Sudan
Willkommen im Sudan, dem Schurkenstaat auf der Achse des Bösen. Um als Schurke dazustehen, braucht es nicht viel, man muss Öl haben und es den Amerikanern nicht geben wollen. Liest man dann noch den Koran statt die Bibel, läuft in der westlichen Welt die Hetze an. Verbale und intellektuelle Entgleisungen des Präsidenten gehen bei uns durch die Presse und absurde Richterurteile, wie das Auspeitschen Wollen einer Frau, die in der Öffentlichkeit eine Hose trug, erzeugt in Deutschland eine Angst, die der Nährboden für all jene ist, die gleich El Kaida an die Wand schreiben und unsere Freiheit in fernen Wüsten und Gebirgen verteidigen und gleichzeitig die Freiheit im eigenen Land einschränken.
Der Schurkenstaat
Aber wie sieht es wirklich aus in einem Schurkenstaat?
Es gibt kaum Touristen und vor den wenigen Touristen scheint die Regierung genauso eine Angst zu haben, wie die Touristen vor der Regierung. Strenges Fotografierverbot, Meldepflicht, Polizeikontrollen – oft auch in Zivil – und ein gewisses Misstrauen. Warum reist jemand aus einem so schönen Land wie Deutschland nach Sudan, wenn nicht der Spionage wegen oder der Unterstützung der Opposition?
Gut, wir haben die gleiche Angst, warum reist jemand aus einem so erbärmlichen Land wie dem Sudan nach Europa, wenn nicht um Rauschgift zu schmuggeln oder illegal zu arbeiten?
Das Misstrauen sitzt tief, jemand, der ein Satellitenbild von Google Earth benutzt, muss ein Spion sein. Genauso wie Männer mit schwarzen Vollbart im weißen Kaftan Flugzeuge entführen und Selbstmordattentate planen.
Die Offiziellen (Polizisten, Geheimpolizei, Immigrationsbürobedienstete etc.) sind ausnahmslos korrekt, freundlich und höflich, auch wenn sie einem manchmal die Zeit rauben und die Geduld strapazieren, wenn sie jede Nebensächlichkeit in ein dickes Buch eintragen müssen.
Die Menschen, das Volk, ist eines der gastfreundlichsten in Afrika. Erinnerungen an Iran werden wach. Nie hat es den Versuch gegeben, uns zu übervorteilen oder zu betrügen, nicht auf dem Markt, nicht bei Einladungen, eher im Gegenteil, oft waren wir beschämt, weil wir im Schurkenstaat viele Schurken vermuteten.
Zwei kleine Beispiele die nicht ganz, aber fast typisch sind für die Bewohner des islamischen Teils Sudans:
Wir möchten mit der Fährgesellschaft in Wadi Halfa telefonieren, um einen Frachtkahn für unseren Deutz zu reservieren. Ich frage einen Einheimischen nach dem Weg zu einer öffentlichen Telefonzelle. Der fragt nach der Nummer, tippt sie in sein Mobilephone und gibt mir sein Nokia. Anschließend versuche ich dreimal, die Kosten für das Gespräch zu bezahlen und werde jedes Mal energischer abgewiesen.
In Ägypten wäre man froh, wenn man mit dem fünfzehnfachen der tatsächlich entstandenen Kosten davon gekommen wäre.
In Khartoum treffen wir Reisende, die mit einem MAN unterwegs sind. Sie haben wenig Zeit, müssen ihre beiden Reservereifen bei einer Spedition abgeben. Warum das?
Ihr letzter Reservereifen war vor etwa 1.000 km geplatzt und sie hatten Angst, ohne Reserverad die 1.000 km weiter zu fahren, aber ein Reifen in der passenden Größe war nicht aufzutreiben. In einer LKW Werkstatt stand ein, dem Anschein nach, schrottreifer Unimog mit den passenden Reifen, der Motor war ausgebaut. Leider waren die Reifen nicht zu verkaufen, der Motor war nur zur Überholung in Khartoum. Der Werkstattbesitzer montiert wie selbstverständlich zwei Räder ab und gibt sie den Reisenden mit. Ohne Bezahlung, ohne Pfand, ohne Ausweis, nur gegen das Versprechen, sie in Khartoum bei der Spedition abzugeben und zurück zu senden. Die Spedition gehört seinem Onkel, der transportiert die Reifen die 1000 km kostenlos zurück.
Der Sudan ist eine wohltuende Oase der Ruhe, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft zwischen Ägypten und Äthiopien.
Black Label in Sudan
„Mensch, was für ein Zufall, das wir euch hier wieder sehen.“ Der Busfahrer und der Reiseleiter eines deutschen Reiseunternehmens freuen sich über die Abwechslung, die wir in ihren Alltag bringen. Wir hatten die Truppe bereits in Khartum getroffen. Jetzt steht ihr roter Bus vor einem nubischem Haus in einer Oase am Nil. Ganz zufällig ist es nicht, wir hatten den Bus von einem Berggipfel gesehen, den wir am Nachmittag bestiegen hatten, sonst hätten wir das rollende Altersheim in der Oase nicht entdeckt. Die Reisegäste schlafen in den Legebatterie großen Käfigen des 24 Personen Wohnmobils, nutzen aber die Duschen und die Toiletten des Hauses, das extra für zwei Tage exklusiv vom Unternehmen gemietet wird.
Wir werden zum Abendessen eingeladen und sollen noch warten bis die Gäste im Bett sind und es richtig dunkel ist. Zuvor werden in unserer Kühlbox einige Liter Coca Cola gebunkert und dann ist es soweit. Ich traue meinen Augen nicht. Eine Literflasche Johnny Walker Black Label ist in einem Bananenkarton unter dem Tisch versteckt.
Alkohol ist im Sudan streng verboten und es stehen 40 Peitschenhiebe in der Öffentlichkeit als Strafe im Gesetz, für denjenigen, der seine Zunge mit Alkohol benetzt.
Wir sind zu dritt, also hole ich drei große Gläser und einen Liter Cola aus dem Deutz. Der Reiseleiter geizt nicht, schenkt einen guten Schluck der Kostbarkeit ein.
Sabine muss die zweite Flasche Cola holen, ich traue mich nicht zum Deutz, möchte jetzt keine Fragen der Geheimpolizei beantworten müssen.
Nach einer Stunde ist die Whisky-Flasche leer. Ich habe mir meinen Hocker in die Hausecke gestellt, damit ich mich nach beiden Seiten anlehnen kann ohne vom selbigen zu fallen.
„Ich hol noch ne Flasche vom Johnny, oder wollt ihr Gin-Tonic?“, fragt mein bester Freund Walter.
„Was, du hast noch mehr, wo kriegst du hier das Zeug her?“
„Ich hab noch ein paar Flaschen und auch noch ein fünf Liter Fässchen Becks.“
„Und wo her?“
„Diplomatische Beziehungen zu Leuten im Ministerium, bei denen selbst unser Botschafter nicht so einfach einen Termin kriegt.“
Nachdem auch die Flasche Gin halb leer ist, torkele ich zum Auto, zuvor hat Sabine nachgesehen, ob die Luft rein ist. Ich habe Angst, mit offenem Fenster zu schlafen, befürchte, dass man in der ganzen Oase meine Fahne richt.
Diese Schurken, Fähre über den Lake Nasser
Die Ausreise aus dem Sudan, bzw. die Einreise nach Ägypten ist schwierig. Eine Überquerung der Grenze über Land ist verboten und die einzige Möglichkeit ist die Einreise über den Nasser-Stausee. Einmal wöchentlich (Mittwochs) verkehrt eine Personenfähre, die jedoch keine Fahrzeuge transportiert. Das heißt, man muss in Wadi Halfa (Sudan) einen Lastkahn organisieren, der das Fahrzeug getrennt von einem selbst die etwa 300 km über den See schippert und in Assuan anlegt.
Unser Visum gilt zwei Wochen, also planen wir unsere Reise so, dass wir an einem Donnerstag aus Äthiopien nach Sudan einreisen, um auch die vollen 14 Tage im Land nutzen zu können. 10 Tage später stehen wir in der Oase Wadi Halfa.
Andere Reisende erzählen, man braucht einen Helfer, der sich um den Papierkram kümmert So ein Quatsch, das kriegen wir auch alleine hin.
Wir trinken erst mal Tee in einem „Restaurant“ im Zentrum der Oase und werden auch gleich von einem Helfer angesprochen. Magdi, der Name ist uns bekannt, andere Reisende haben gute Erfahrung mit ihm gemacht.
„Für deinen LKW brauchst du einen großen Lastkahn, der muss extra aus Assuan kommen, das macht 3000 US-Dollar.“ Ich schlürfe weiter in Ruhe meinen Tee, jetzt werden erst mal große Hausnummern aufgehangen, denke ich. 750 Euro ist der Preis, den Andere für ein Fahrzeug in unserer Größe inklusive Personenfähre und Hafensteuer etc. gezahlt haben.
„Aber es kommt doch jede Woche ein Overland-Truck von Dragoman, dann ist der große Kahn doch hier.“ Magdi telefoniert. „Nein, ich habe mit meinem Partner in Assuan telefoniert, in den nächsten zwei Wochen kommt kein Truck.“
Magdi führt fort: „Ich weiß, dass in Assuan eine Ladung Zement für Wadi Halfa liegt, ich könnte dafür sorgen, dass der Zement auf den Lastkahn verladen wird, auf dem dein Auto mit zurück geschifft werden könnte, dann zahlst du nur den normalen Tarif und keine 3.000 Dollar. Aber du kannst dich auch gerne selbst darum kümmern, welcher Lastkahn nach Wadi Halfa geschickt wird. Ich will mich nicht aufdrängen.“
„Mach mal ein Angebot, was die ganze Show kostet, dann entscheide ich, ob ich mich selbst um den Zement in Assuan kümmere.“
Magdi ist mir nicht unsympathisch, ruhig, freundlich und bietet mir sogar seine Telefonnummern an: „Wenn du dich selber drum kümmern willst, kann ich dir die Telefonnummer vom Kaimeister in Assuan geben, der den Zement verlädt.“
Dann holt er aus seiner Aktentasche einen Taschenrechner, Stift und Block und rechnet vor:
„Fahrzeug bis 7 Meter Länge 355 USD, 2 Tickets für die Personenfähre (Deckpassage) = 90 USD, Porttax = 33 USD, 2 x Passport stempeln = 20 USD, Customs = 8 USD, seine Dienstleistung 30 USD. Macht unterm Strich 536 USD.“
„Aber unser Deutz ist etwas länger als 7 Meter.“ „Denn kriege ich für 7 Meter durch.“
Grob im Kopf gerechnet macht das noch keine 400 Euro, man könnte jetzt noch über die Stempelgebühr der Reisepässe streiten, aber uns interessiert nur die Gesamtsumme und die ist okay.
Wir sollen ihm Reisepässe und Carnet aushändigen, damit er sich um alle Stempel kümmert. Magdi bemerkt Sabines kritischen Blick: „Ihr könnt auch mitkommen, doch das dauert bei Immigration und Zoll den halben Tag. Wenn ihr mir nicht vertraut, ich kann euch auch mein Haus zeigen oder bei dem Schulleiter oder der Polizei vorbeifahren, alle kennen mich und ich war immer ehrlich.“
Alles läuft wie vereinbart, am nächsten Tag treffen wir uns wieder im „Restaurant“ und bekommen unsere abgestempelten Papiere zurück.
Hiobsbotschaft
Mittwoch morgen 10 Uhr. Treffpunkt im „Restaurant“. Magdi sieht gestresst aus, als ahne er den Ärger. „Die Kahn mit dem Zement ist nicht hier, das Beladen hat länger gedauert, der Kahn kommt morgen. Das heißt ihr könnt euren Wagen nicht selbst verladen. Ihr müsst mir den Schlüssel geben, wir stellen das Auto an einem sicheren Platz im Hafen ab und ich fahre eueren Deutz morgen auf den Lastkahn.“
„Genau das machen wir nicht, so war das nicht vereinbart. Finde eine andere Lösung.“
Sein Gesicht ist nun deutlich von Sorgenfalten gezeichnet. „Es gibt keine andere Lösung, du musst mir vertrauen, ich habe schon öfters Autos auf das Schiff gefahren. Andere überlassen mir sogar ihren Hund, der auch nicht mit der Personenfähre fahren darf.“
„Mein Auto ist kein Hund. Ein Hund kann sich wehren, mein Auto nicht.“
Magdi muss schmunzeln und auch wenn uns die Situation nicht passt, bleibt doch die Einsicht in die Notwendigkeit, zumal mir auch keine bessere Lösung einfällt: „Okay, wir stellen das Auto im Hafen ab.“ Magdi freut sich und bestellt erst mal eine Runde Pepsi für alle.
Am späten Nachmittag legt die Personenfähre ab, unser Auto bleibt am Kai zurück.
Die Überfahrt mit der Personenfähre macht keinen Spaß, ist aber ein Teil des Abenteuers
das alle zu bestehen haben, die auf der Ostroute unterwegs sind.
Mit dem Taxi geht’s vom Hafen in die Stadt Assuan, ein preiswertes und sauberes Hotel ist schnell gefunden und das Warten auf unsere Pistenkuh beginnt. Heute soll in Wadi Halfa verladen werden. Gegen Mittag erreicht uns die Nachricht, dass der Zement in Wadi Halfa noch nicht entladen ist und sich der Termin um einen Tag verschiebt. Am nächsten Tag ist der Zement immer noch nicht entladen und der Termin verschiebt sich jetzt um zwei Tage. Ärgerlich ist vor allem, dass wir nur mit leichtem Handgepäck gereist sind, unser Laptop, Kamera und Stativ sind im Deutz und so sitzen wir in einem Hotel mit kostenlosem High-Speed Wifi und können nichts machen, außer im Souk mit den Händlern Tee trinken.
Eine Woche später steht endlich unsere Pistenkuh im Hafen von Assuan und freut sich, uns zu sehen. Neben ihr steht ein Landrover eines Briten und im Gespräch ergibt sich, das der Lastkahn auf ihn gewartet hat. Warum man uns die Geschichte mit dem Zement erzählt hat, weiß ich nicht.
Am nächsten Tag treffen wir zufällig Deutsche vom Stamm der Mercedesfahrer, die mit ihrem Rundhauber nach Sudan verschiffen wollen. Sie sind etwas in Sorge, 3.000 US-Dollar soll der Kahn kosten, der extra aus Wadi Halfa angefordert werden muss, aber der Agent könnte behilflich sein, in Wadi Halfa liegt eine Ladung Zement.