Ägypten – Lake Nasser
Möge es uns nie passieren
Eine Woche warten wir jetzt schon im Hotel Keylany, dass im 300 Kilometer entfernten Wadi Halfa Zement entladen wird. Doch heute morgen kommt der ersehnte Anruf in der Rezeption, der Lastkahn mit unserem Deutz ist in Assuan angekommen. Das Prozedere in Ägypten ist kompliziert, wir brauchen Nummernschilder, müssen eine Versicherung abschließen, die Trafficpolice will einen Abdruck der Fahrgestell- und Motornummer, der Zoll muss das Carnet stempeln und eine Dieselsteuer ist zu entrichten. Das alles wäre nicht kompliziert und man könnte es genau wie beim Grenzübertritt aus Libyen oder Jordanien auch alleine schaffen, wenn die einzelnen Stellen nicht zwischen Hafen und der 20 Kilometer entfernten Stadt verstreut lägen. Ob man will oder nicht, man braucht einen ortskundigen Helfer. Kamel, ja ich habe es zuerst auch falsch ausgesprochen, aber er heißt so, also Kamel ist einer dieser Helferlein, die sich im Hafen rumtreiben. Meine Skepsis weicht, als er uns einen Heft mit Reverenzen überreicht, in dem ich auch drei andere Reisende finde, die wir kennen und von denen wir wissen, das sie nicht einfach was in Bücher schreiben, was nicht stimmt. Kamel ist nicht billig, 30 US-Dollar nimmt er für die Abwicklung des Papierkrams, aber ohne ihn würden wir heute noch in Assuan umher irren, die Trafficpolice sieht von außen aus wie ein Schrottplatz, von Police ist nichts zu erkennen und ein Schild gibt es auch nicht.
Unsere Pistenkuh steht nicht allein auf dem Frachter, hinter ihr steht ein 42 Jahre alter Landrover eines Briten, der alleine seit ein paar Jahren durch Afrika reist.
Später erfahren wir, dass der Lastkahn in Wadi Halfa auf ihn gewartet hat, von Zement also keine Spur. Alles nur Verarschung.
Zum Verständnis noch eine kleine Hintergrund Information: Die Personenfähre erreicht in der Regel am Morgen den Hafen in Assuan. Die Passagiere dürfen aber nicht von Bord, sondern die Polizei und Immigration kommt auf das Schiff und kontrolliert Pässe, stempelt Visa etc. Das dauert in dem Chaos, welches die Ägypter bei solchen Prozeduren veranstalten, einige Stunden. Am frühen Nachmittag darf man dann endlich das nach Diesel und Kloake stinkende Schiff verlassen.
Wir sind also am Morgen im Hafen und unsere Pistenkuh ist vom Landrover zugeparkt. Klasse. Durch einige Telefongespräche erfahren wir die Mobilnummer des Briten und dass dieser auch unseren Deutz-Ersatzschlüssel hat. Wir vereinbaren, dass wir einen Polizisten auf das Schiff schicken, dem er unseren Schlüssel und auch seinen Landy-Ersatzschlüssel aushändigt, damit ich die Autos von der Fähre fahren kann. Seinen Landy soll ich im Hafen parken und den Schlüssel unserem Helfer Kamel übergeben, dessen Dienste er ebenfalls nutzen will, zudem sollen wir ein Zimmer für ihn im Hotel Keylany buchen.
Überraschender Weise funktioniert alles so, wie wir Europäer es uns ausgedacht haben.
Am Abend ist aller Papierkram erledigt und wir können vor dem Hotel im Deutz übernachten, ein kleines Bakschisch macht es möglich, aber vom Briten keine Spur. Am nächsten Mittag trifft ein völlig gestresster, aggressiver und mies gelaunter Brite ein. Das muss er wohl sein.
Wir lauschen seiner Horrorgeschichte:
Als er dem Polizisten auf dem Schiff die beiden Autoschlüssel übergeben hat, muss irgendwer seinen Reisepass gestohlen haben. Vielleicht hat er ihn auch verloren.
Die Ägypter machen kurzen Prozess: Ohne Reisepass keine Einreise. Ab, mit der nächsten Fähre zurück nach Sudan. Er diskutiert, tobt, randaliert, bietet Bakschisch, alles ohne Erfolg. Zurück nach Sudan ist das letzte Wort. Er telefoniert mit der britischen Botschaft in Kairo, der Mitarbeiter versteht kaum Englisch, der Brite brüllt und der Mitarbeiter legt einfach auf. Neuer Versuch. Es klärt sich auf, es ist außerhalb der Arbeitszeiten der Botschaft, er bekommt eine Notfallnummer. Die Lösung des Mitarbeiters ist genial: „Alles kein Problem, kommen Sie nach Kairo und wir stellen Ihnen neue Papiere aus.“ „Wie soll ich nach Kairo kommen, wenn die mich nicht reinlassen?“ „Das ist Ihr Problem, Sie müssen schon nach Kairo kommen, sonst können wir für Sie nichts tun.“
Das Hafengebäude wird geschlossen, Dienstschluss. Der Engländer vertreibt sich die Nacht im Hafen. Am nächsten Morgen haben die Ägypter ein Einsehen und stellen eine auf drei Tage befristete Aufenthaltsgenehmigung aus. El Hamdulillah.
Wucherer
Unter 20 Händlern findet man in Assuan mit Glück einen Ehrlichen, 95 % sind kleine Betrüger, die Ausländer gerne über den Leisten ziehen.
Wer die Preise nicht kennt, zahlt mindestens das Doppelte, in der Regel das drei- bis fünffache und unter Umständen auch das zwanzigfache oder mehr. Noch nicht mal eine Rolle Klopapier lässt sich in Ägypten ohne Beschiss erwerben. Im Restaurant, an der Tankstelle, im Supermarkt, beim Gemüsehändler, in der Bäckerei, jeder versucht zu betrügen. Widerliches Gesindel. In den drei Jahren der Afrikaumrundung haben wir weniger Händler getroffen, die uns abzocken wollten, als in drei Tagen in Ägypten. Erst als man uns nach fünf Tagen kennt, ich mit vielen Händlern Tee getrunken habe, können wir einkaufen, ohne wegen jeder Banane lange verhandeln zu müssen und zahlen die Preise der Einheimischen.
Auf der Oasenstrecke und auch in Kairo ist das Verhältnis besser. Dort waren die schmierigen Wucherer die Ausnahme und diese forderten den doppelten Preis, aber nicht den zwanzigfachen.
Weiße Wüste
Hier darf man noch Mensch sein. Atemberaubende Landschaft, kein Müll, wenige Fliegen und vor allem keine Händler. Außer einer zufälligen Begegnung mit anderen Reisenden und einem Wüstenfuchs sehen wir niemanden. Knapp zwei Wochen fahren wir durch die Kalk- und Gipswüste, bevor es nach Kairo zum Tee Trinken beim Unimurr geht. Noch ein paar Tage verbringen wir auf dem Sinai und dann reisen wir nach Jordanien aus.