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Vorurteile und Neid unter Overlandern Teil2

Im zweiten Teil geht es um das haltlose

Vorurteil: Damit bekommt man keinen Kontakt zur Bevölkerung.

Diese Meinung hört man oft und sie ist natürlich Quatsch. Für den Kontakt zu den Menschen bin ich verantwortlich und nicht das Fahrzeug. Als Sabine und ich 16 Jahre alt waren, reisten wir erstmals mit Fahrrad und Schlafsack. Zwangsläufig hatten wir viel Kontakt zur lokalen Bevölkerung, fragten nach Trinkwasser, nach einem Nachtplatz unter der Remise beim Bauern und konnten schnell mal ein paar Kirschen am Wegesrand ernten, was einen unfreundlichen Kontakt zum Bauern herstellte.
Viele Kontakte waren schön, wir wurden vom Bauern zum Grillen eingeladen, unterhielten uns mit einem Penner, der ebenso mit einem Fahrrad aber mit fünf mal mehr Gepäck auf der gleichen Landstraße unterwegs war, nur um mal ein paar Beispiele zu nennen. Aber der Kontakt zur Bevölkerung ist auch oft nervig, weil man schon wieder zum Tee eingeladen wird, die Verständigung nur mit Händen und Füssen möglich ist und man den Smalltalk über woher, wohin und ob es der Familie gut geht schon 100mal geführt hat.
Wenn wir heute mit dem Truck unterwegs sind, kann ich die Kontakte wählen, die mich bereichern und muss nicht in irgendeiner Lehmhütte Tee trinken wenn ich das nicht will.
Es ist doch kein Problem anzuhalten, auszusteigen und den Penner am Straßenrand zum Frühstück einzuladen. Oder dem Nigerianer der in Italien vorm Lidl steht mal eine Kola zu spendieren und mir seine Geschichte anzuhören, warum er in Italien vorm Supermarkt steht und so etwas über die mafiösen Strukturen dahinter zu erfahren. Der immer angeführte „Motorradfahrer“, der ja angeblich so viel mehr Kontakt zur Bevölkerung hat, hat exakt die gleiche Hemmschwelle. Er muss anhalten, absteigen, Helm abziehen und auf die Locals zugehen. Wenn er das nicht will, dreht er am Gashahn und ist weg.

Ich kenne Motorradfahrer, die haben noch nie mit einem Bettler vorm Lidl gesprochen, ich kenne Motorradfahrer, die sind von Kapstadt nach Kairo gefahren ohne bei den Massai mal geronnenes Blut in einer Lehmhütte zu trinken, ohne selbst gerösteten Kaffee in Äthiopien probiert zu haben, ohne mal in einem türkischen Hamam gewesen zu sein. Kurz, er hatte nur Kontakt zu Tankwarten und Campingplatzbetreibern. Und das sind dann genau die, die schwafeln von Magenverstimmung durch lokales Essen, Überfällen und das man ausgeraubt wird, wenn man unbewaffnet ist. Da wären wir auch schon beim nächsten Vorurteil.

Aber bleiben wir noch beim Vorurteil, dass die Fahrzeuggröße den Kontakt verhindert. Wenn man in Mali, Senegal, Ghana und alle Länder die sich südlich davon befinden sieht, wie Fremden zugewunken wird, wie am Straßenrand mal kurz ein Tänzchen aufgeführt wird, dann wird man feststellen, die winken dem Motorradfahrer genauso zu, wie dem 6×6 Actionmobil und sind völlig aus dem Häuschen, wenn man anhält, ebenso einen kurzen Tanz vorführt und weiter fährt. Wenn man wollte, wäre jetzt auch schnell die Teekanne auf dem Feuer. Gelegentlich mache ich unterwegs solche „Späße“ und ich habe noch NIE erlebt, das die Bevölkerung mit mir nicht am Straßenrand tanzt, weil mein Auto zu groß oder zu protzig oder zu teuer ist. Das Argument, ich zitiere: „Auch kontakte mit der bevölkerung sind schwierig in so einer fahrenden burg. Das schafft von anfang an distanz, denn das vorführen von solch immensen reichtum kommt nicht gut an.“ kann ich in keiner Weise nachvollziehen. Das Argument kommt nicht von einem Tramper, da könnte man seine Sicht der Dinge noch nachvollziehen, es kommt von jemandem der angeblich einen alten Hanomag fährt, sich also nur marginal in der Fahrzeuggröße unterscheidet. Daher merkt man auch schnell, dass es ihm nicht um Fahrzeuggröße geht, sondern der Neid spritzt bei ihm aus allen Poren, weil jemand ein Fahrzeug mit 400 PS mehr fährt als er.

Heute weiß ich, das ein größeres finanzielles Reisebudget auch zu mehr und breiteren Kontakten zur Bevölkerung führt.
Vor 15 Jahren (unser Reisebudget war überschaubar) hatten wir Kontakt zu Bauern, Dorflehrer, Mechaniker, Reifenflicker, Bäcker, Gemüsehändler, kurz zu dem was sich im Dorf zum Mokka und Backgammonspiel am Abend trifft. Von ihnen habe ich von ihrem Leben (zumindest oberflächlich) erfahren. In Goa am Strand trafen wir einen Reisenden mit neuem Bocklet-Mobil, der etwas abseits stand und sich in die „Hippie“-Runde nicht recht rein traute. Ich holte ihn dazu und es entstand in den folgenden Tagen und Wochen eine Freundschaft. Dieser Reisende hatte Spaß daran auch mal in einem teuren Hotel zu nächtigen oder sich in einem Maharaja Palast bekochen zu lassen. Abends an der Hotelbar lernte er oft Politiker, Unternehmer, Manager, Professoren und Künstler kennen. Sein Blick auf Indien war um ein vielfaches differenzierter als der meinige. Den Kontakt zu Bauern und Dorflehrer hatte er ja wie jeder Reisende, nur diese Erfahrung gegenüber dem armen Globetrotter noch on top.

Mein Tipp an die Motorradfahrer und 8×8 Action-Mobil Reisende: Steigt ab, macht einen Tanz mit den Menschen am Straßenrand in Bolgatanga und lacht über die Vorurteile derer mit begrenztem Horizont.

Sorry, dass ich soviel schreibe und es mehrere Teile werden. Im dritten Teil geht es dann um die Vorurteile:

„Bei den korrupten Polizisten muss man Unmengen Geld zahlen.“ und „Da kommt man ja nirgends mit hin.“

This article has 11 comments

  1. Andreas B.

    Ich habe die Erfahrung gemacht:
    Gerade eben weil ich ein grosses Auto fahre – Steyr 12m18 – waren sowohl die Locals als auch andere Reisende mehr an mir und meinem Auto interessiert als wenn ich ein 08/15 Wohnmobil von der Stange gefahren hätte.
    Woher, wohin, wo schon gewesen, was kann der, was hat man mit, was braucht man wirklich, was ist Luxus, was braucht das Auto – und natürlich auch was hat das gekostet: klar hat man diese Gesprächsinhalte.
    Aber: man selber hat ja auch eine Menge Fragen an Einheimische als auch andere Reisende: woher kommst Du, wo wohnst Du, was machst Du, wo warst du schon, wo willst noch hin, wo kann man hin – wo soll man hin – was ist sehenswert, fragt nach Tipps und Empfehlungen, nach Hilfe und Unterstützung wenn notwendig, etc.
    Und wenn mein Auto etwas ungewöhnlicher ist erleichtert das allemal ins Gespräch zu kommen … ausser man ist zu ängstlich oder zu faul um Aussteigen – dann sollte man aber besser zu Hause vor dem Fernseher bleiben, oder?

  2. Micha

    Es gibt leider so viele Vorurteile gegenüber großen Fahrzeugen. Ich wollte aus einem dummen Gedanken meinen verkaufen und wurde mit Spritverbräuchen zugeballert, die ich selbst im Gelände nicht verbrauche. Ich finde, die, die nur vom Reisen träumen, sollten es auch weiterhin tun und sich nicht negativ mit ihrem Unmut kenntlich machen. Macht weiter so und lasst mich noch mehr mit euch mit erleben. Gruß Micha

  3. Florian Glöggler

    Ahoi Burkhard- Absolut richtig. Es ist der REISENDE selbst und NICHT das Transportmittel, dass den Kontakt schafft.

    Ich persönlich komme mit einer äußerlich maximal runtergerockten Mühle die keiner kennt (Star266) weder in die Neider-Zwickmühle unter Reisenden – noch musste ich mir jemals Gedanken machen dass ich als „protzig“ vor den Locals rüberkomme. Im Gegenteil- oft wurden wir regelrecht DAZU GEDRÄNGT im Haus bei lokalen Reisebekanntschaften zu übernachten (Kosovo, Chile, Guatemala und extremst oft in Albanien:). Auch in Werkstätten etc bekomme ich meist faire Preise- insbesondere wenn man selbst mitschraubt beim z.b. gebrochene Federn tauschen. Es ist somit immer noch MIR überlassen, WEN ich ins Fahrzeug lasse oder meine Hintergründe erzähle.

    Die verrücktesten Vorurteile habe ich allerdings auf der Abenteuer Allrad oder Southside erlebt. So durfte ich dort (unter vielen anderen interessanten Menschen) auch die Chefs zweier namhafter Fahrzeugbauer kennen lernen, bei denen ich NIE ein ReiseFahrzeug bauen lassen würde wenn ich mal „weniger hardcore“ will/kann. Von total abwertendem, vorurteilbehaftetem Verhalten hin zu verkäuferisch-stinkfreundlich als ein mir bekannter Kollege sich in die Unterhaltung einklinkte- das ist nicht mein Stil.

    Du hast einen weiteren Punkt in deinem Artikel angesprochen, den ich für sehr wichtig halte: Leute, die abseits stehen, weil sie sich nicht „trauen“ dazuzugehören weil die andern anders oder anders unterwegs sind. Da muss sich JEDER von Zeit zu Zeit mal selbst an die Nase greifen und über die Schwelle schreiten: das sind bei beiden Seiten meist lediglich imaginäre Abgrenzungen die so viele schöne Begegnungen verhindern! Kein Surfer am Feuer hat ein Problem wenn der 60-Jährige Unternehmer ausm „ActionMobil“ mit nem Sixer unterm Arm sich mit ans Feuer setzen will: IM GEGENTEIL!

    Grüße aus Griechenland
    Flo?‍☠️

  4. adipodi

    Hallo und einen schönen Tag

    Ich sehe das mit dem Neid nicht wirklich.
    wir z.B würden uns um keinen Preis mit einem solchen „Monster“ auf Achse begeben.
    Es ist auch überhaupt nicht eine Frage des Preises sondern der Routenpräferenzen und den Möglichkeiten. Wir bevorzugen je nach Situation
    in Hotels zu nächtigen und lieben diesen Komfort und die Ambiente.
    wir sind alleine unterwegs und machen die Erfahrungen, dass es oft unmöglich wäre, absolut tolle Tracks und Pisten mit einem schweren Fahrzeug zu fahren. Routen die zum Teil nur mit GPS Koordinaten gefahren werden können, auf denen du keinem Fahrzeug währen mehr als 5000 km begegnest, lange Fahrten in „trockenen“ Flussbetten, sehr schwierige schmale Passagen, Flussdurchquerungen usw.
    Für mich ein Unterfangen das mit z.B 10 Tonnen und mehr undenkbar ist. Ich habe schon in der Westsahara erlebt wie Oberländer mit schweren Geräten sich nicht mehr helfen konnten und 14 Tage festsassen. Abgesehen davon wir bringe ich ein solches Fahrzeug im dünnsten Fall bei einer Panne wieder in die Zivilisation zurück?
    Ein Ding der Unmöglichkeit wenn das Fahrzeug weit weg von der Zivilisation stecken bleibt und lange Flussfahrten, schwierige Passagen, usw auf dem Rückweg unabdingbar sind.
    Grüße von unterwegs
    Adi

    • adipodi

      Sorry, meinte natürlich 500 km keinem Fahrzeug zu begegnen nicht 5000 km

  5. Rolf der Highlander

    Lieber Burkhard, ich genieße Deine Reiseberichte, deinen authentischen Schreibstil, deine coolen Fotos (Aerials) und die Entspannung, wenn ich beim Lesen mal zuhause im kalten D sitze und nicht in meinem 3,5t reise. Von sehr vielen anderen sog. (?) Social Media Unsinnsschleudern und Zeitvergeudern halte ich mich fern.
    Daher finde ich es sehr schade, dass einige der dortigen ‚irdischen‘ Aufreger, daher vielfach negativen ‚Gedankengänge‘ nun Eingang in dieses Blog gefunden haben. Das Hirn des Lesers klebt an diesen Zeilen, die Emotionen fallen gegen Null und Lebenszeit verdunstet. Die Freude fällt in diesen ‚Unsinnsshredder‘.
    Vielleicht ist es besser, diesen Thread in den blauen Sack zu werfen und wieder positive Gedanken aufkeimen zu lassen. Klar, man könnte hier über Hybris, Skepsis, Unwetter etc. philosophieren, fragt sich nur wozu?
    Ich rette mich gerade, in dem ich im anderen hervorragenden Reiseblog dein cooles Retro-Friseurbesteck mit rosa Umgang bestaune. Klasse.
    Dir und euch weiter eine gute Reise.
    (p.s.: Diesen Beitrag habe ich hier aus dem Teil 1 gern wiederholt).

  6. Sebastian Gebhardt

    Reisen ist tödlich für Vorurteile (Mark Twain).
    Es sollte doch das Bewusssein vorherrschen, reisen zu können bzw. zu dürfen. Hier noch „Vorurteile“ gegenüber anderen Reisepartnern bzw. deren Reisemitteln zu haben zu haben ist sehr kleingeistig.
    Letzlich gibt es immer irgendwo Traveller, die anstatt sich über das entdecken zu freuen doch noch etwas negatives finden zu müssen. Erfreulicherweise sind dies nur Randerscheinungen – und hoffentlich bleibt das auch so. Herzliche Grüße!

  7. Christian Fränkel

    Kein Mensch auf dieser Welt wird wohl vorurteilsfrei sein. Das zeigt ja auch die Aussage über Eigentümer von „08/15 Womos von der Stange“. Oder dass dies generell bei allen „Kleinmobilisten“ auf den Campingplätzen so wäre.
    Vorurteile sind ja oft aus Erfahrungen entstanden, die derjenige mal gemacht hat. Das ist oft schade, aber lässt sich wohl nicht vermeiden. Vielleicht hat der „Neider“ zu oft Menschen getroffen, die sich eben über Luxus und Reichtum definiert haben. Und den Porsche vor allem als Statussymbol für die Innenstadt und nicht unbedingt fürs schnelle und sportliche Fahren genutzt haben etc.
    Es kommt dann auch immer auf das Auftreten der Eigentümer an, ob da ALLE so bodenständig sind?

    • adipodi

      Wenn sich jemand über seinen Luxus/Reichtum definiert ist das mMn nicht grundsätzlich verwerflich. Jeder darf für sich selber „herausfinden“ warum solche Menschen bei ihm diese oder jene Empfindung auslöst.

      • Christian Fraenkel

        Verwerflich nicht, aber kommt zum einen nicht überall gut an , und zum Zweiten mag es auch durchaus negative Auswirkungen haben, z.B. die ganzen Autoposer in den Innenstädten. Hier fällt der Luxus des einen dem anderen zur Last…

  8. Martin

    Hi Burkhard!
    Endlich mal wieder lange Texte, wirklich! Deine Fotos sind sehr cool, aber deine Text sind noch viel interessanter. Ist ja extrem unwahrscheinlich, dass man am Strand von dir ans Feuer geholt wird. Deine Erfahrungen und Meinungen interessieren mich aber trotzdem sehr. Also bitte keine Hemmungen, her mit den Geschichten!
    Vielleicht eine kleiner Tipp: Mittlerweile diktiere ich fast alle meine Texte mit dem Handy vor, spart viel Zeit und du kannst in kurzer Zeit viele erste Content-Entwürfe anlegen.
    Grüße aus Berlin und Danke, dass ihr eure Reisen mit uns teilt!
    Martin

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