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Typischer Laden in den Pyrenäen
Spanien - Pyrenäen

Menschen in den Pyrenäen – Der Bäcker

„Ihr schreibt für ein Reisemagazin?“ „Ja, auch“, ist oft meine Antwort und mein Gegenüber ist wegen des „auch“ irritiert. „Ich schreibe nicht nur, ich fotografiere auch“. „Ach so.“ Und das klingt, als entstehen die Fotos nebenbei. So ist es aber nicht.
Gibt es für den Artikel ein Honorar, das über eine warme Mahlzeit hinausgeht, steigen die Anforderungen der Text- und Bildredakteure in den Verlagen.
Die Anforderungen an die Bilder sind neben den Selbstverständlichkeiten, dass Fokus, Bildausschnitt und Belichtung stimmen, dass die Bilder oder zumindest einige davon, Stimmung transportieren, Atmosphäre rüber bringen. Es ist eine Reise, also muss das Auto fahren und nicht stehen, das muss auf dem Bild erkennbar sein. Eine Reise in fremde Länder, fremde Kulturen, also müssen die Einheimischen in landestypischen Alltagsszenen aufs Bild. Und genau das fällt mir immer besonders schwer. Ich muss mich überwinden, um beim Metzger zu fragen, ob ich ein Bild machen kann. Nicht nur der Dickschädel neben dem Gehackten in der Auslage, sondern auch der hinter der Theke muss mit aufs Bild. Und oft genug frage ich nicht, lasse die Kamera in der Tasche und kaufe einfach nur mein Steak.

In den kleinen Dörfern, ja selbst in den kleinen Städtchen in den Pyrenäen ist vieles ursprünglich, vieles traditionell und seit Generationen fast unverändert.
Der Bäckerei in Sant Boi de Lluçanès, von außen unscheinbar, eine einfache Tür, ein Schaufenster ohne Deko und auf die Hauswand ist einfach der Schriftzug „Panadería“ mit roter Farbe gepinselt.

In dem Verkaufsraum fällt mir sofort die alte Waage und die alte Uhr an der Wand ins Auge.
„Darf ich ein Bild machen?“, frage ich die alte Chefin. Sie sagt einfach „ja“. Keine lange Diskussion keine Fragen nach wieso, weshalb, warum. Einfach nur „ja“ und dann arbeitet sie weiter ohne mich zu beachten. War das früher bei uns auch so einfach? Als ich das Geld für die gekauften Croissants auf die Theke lege fragt sie mich, ob ich auch die Backstube fotografieren will. Ihren beiden Söhnen gehört jetzt die Bäckerei, sie fragt mal nach. Der Bäcker, typisch gekleidet in kleinkarierter schwarz/weißer Hose und weißem Hemd freut sich, dass sich jemand für seine Arbeit interessiert. Stolz zeigt er den alten Ofen, erklärt Backrezepte, lässt mich an Sesam und Mohn riechen.

Handwerk hat in den Pyrenäen eine lange Tradition. Auch in der Backstube.

Handwerk hat in den Pyrenäen eine lange Tradition. Auch in der Backstube.

Die harte Arbeit am heißen Ofen macht ein Senegalese, der seit ein paar Jahren in dem kleinen Dorf lebt, beim Bäcker seine Brötchen verdienen kann und sichtlich ins Dorfleben integriert ist.

Dann muss es schnell gehen. Die fertigen goldbraunen Brote müssen aus dem Ofen und die frei werdende Fläche muss durch neue Teiglinge gefüllt werden. Schnelle, schwere Arbeit.
Doch die kann hier jeder verrichten. Inzwischen ist auch die Schwiegertochter eingetroffen, es spricht sich rum, dass einer mit violettem Tuch im Mehl kniet.
Sie nimmt den Schieber, der Senegalese tritt an die Seite und sie holt geschwind die Brote aus der Hitze. „Wer am Ofen nicht zurechtkommt, gehört nicht in eine Bäckerfamilie. Das ist schon immer so gewesen und wird auch so bleiben.“

Die harte Arbeit am heißen Ofen, kann auch die Chefin.

Die harte Arbeit am heißen Ofen kann auch die Chefin.

Draußen klopfe ich mir den Mehlstaub aus den Klamotten und freue mich über das schöne Erlebnis am frühen Morgen.

Die Croissants essen wir in der gegenüber liegenden Bar und sie schmecken diesmal besonders gut.
Die Bar ist typisch katalonisch, ich frage mal, ob ich ein Bild machen darf.

Frisches Brot im Ofen. Der Duft, herrlich. Ich kann es kaum erwarten, ein Stück vom heißen Brot zu probieren.

Frisches Brot im Ofen. Der Duft, herrlich. Ich kann es kaum erwarten, ein Stück vom heißen Brot zu probieren.

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

This article has 3 comments

  1. Klaus

    Hallo Ihr beiden,

    danke für diesen einfühlsamen Beitrag.
    Eure Erzählung kann ich mit jeder Pore nachempfinden.
    Der Duft von frisch gebackenem Brot hat magische Anziehungskräfte.
    Leider gehören Bäcker wie dieser zu einer aussterbenden Zunft, sukzessive ersetzt durch Backfabriken und Fertigbackmischungen. Das Handwerk verkümmert leider mehr und mehr zu einem Relikt aus (fast) längst vergangener Zeit.

    Habe vor ca. 40 Jahren selbst beim Bäcker gegenüber morgens Brötchen ausgefahren. Selbst um Brötchen, die gerade im Korb aus dem Backofen gekommen sind, anzufassen, braucht es Übung, so heiß sind die noch, will man sie in Papier-Tüten packen. Von daher verstehe ich sehr gut, wovon die Chefin da spricht.

    Eine Bäckerei, noch ganz Bäckerei, mit alten Waagen, Theken, die noch den Hauch der ursprünglichen Bäckerei atmet, die nur die von ihr hergestellten Backwaren verkauft, erinnert mich sehr an ein Schild, daß in meiner rheinischen Heimat über dem Tresen einer Kneipe hing: Wir vergeben keine Kredite, dafür verkauft die Bank nebenan kein Bier.

    Wie wahr.

    Heute bekommt man halt alles aus einer Hand, nur weiß keiner mehr, aus wessen Hand es ursprünglich kam.
    Oder wie neulich eine MA einer Filiale eines der bekannten Lebensmittelanbieter zu ihrer Kollegin meinte, daß in einem Glas eines Babynahrungsmittelherstellers kleine Plastikscherben gefunden worden seien. Die Gläser seien aber sofort aus dem Verkehr gezogen worden. Das könne halt immer mal passieren, bei solchen Stückzahlen. Auch eine Sichtweise ….

  2. Rolf Schettler

    Vielen Dank für die in meinen Augen sehr gelungene Momentaufnahme eines Augenblicks in den Pyrenäen!

    Burkhard zeichnet mit wenigen Worten und Fotos ein Gesamtbild eines eindrucksvollen Erlebnisses, das man nur im engen Austausch mit der einheimischen Bevölkerung erleben kann.

    Bei mir kamen beim Lesen dabei Erinnerungen hoch, die ich am Baikal-See sammelte, als ich mit einem meiner Söhne eine Rucksack-Tour durch Teile Sibiriens machte, mit dem Boot auf dem Baikal eine gefühlte Unendlichkeit nach Norden fuhr und irgendwo im Nichts ausstieg und voll in der Wirklichkeit eines abgelegenen sibirischen Dorfes gelandet war.

    Nichts ist eindrucksvoller als der Kontakt mit der Bevölkerung, die ursprünglich, in gewisser Form genügsam, aber auch gefühlt zufrieden in ihrem von Fremden ungestörten Leben sich so bewegen kann, wie sie es seit langem gewohnt ist

    Dieses Dorf bestand aus einer Ansammlung von wenigen ärmlichen Bauerngehöften und einem kleinen pittoresken Dorfladen in einer baufälligen Blockhütte. Der Laden bot ein Sammelsurium von Artikeln von Kernseife über Waschpulver bis hin zu Tüll-Stoffballen, Toilettenpapier und einer stattlichen Anzahl von Farben-prächtigen Puppen an, die liebevoll drapiert waren, aber nichts Essbarem, nach dem wir nach der langen Bootsfahrt so dringend suchten. Nicht einmal der Satz „Wodka und Speck findet man überall“ galt hier.

    Insgesamt aber prägte sich mir ein malerisches und sehr eindrucksvolles Bild aus vergangenen Zeiten in meinem Gedächtnis ein.

    Für mich ein echt anderes Erleben als wenn man sich hoch-motorisiert und hoch-technisiert durch die Dünen einer Wüste kämpft und sich ein bisschen wie ein alter Forscher oder Entdecker fühlt, der (uns unbekannte) Pfade (wieder) aufspürt und dabei vielleicht ein bißchen die Bodenhaftung zu der einheimischen Bevölkerung verliert oder garnicht aufbauen kann, weil man als der reiche Ausländer wie von einem anderen Stern kommend aus seinem 4×4-LKW springt und auf dem Markt eines Oasenortes das kauft, was man zur Ergänzung seiner aus der letzten Großstadt mitgebrachten Lebensmittel braucht, koste es, was es wolle.

    Reisegenuß sollte mehr sein als nur Ländersammeln, Meilen fressen oder an Traveller-Sammelpunkten technische Details der Fahrzeuge auszutauschen oder zu bestaunen.

    Reisen sollte das Sammeln von Erlebnissen und Erkenntnissen sein, die zu Reflexionen und damit zum Verständnis der uns bis dahin fremden Welt und ihrer Probleme, der Vielfalt und deren Andersartigkeit und schlußendlich auch zu mehr Toleranz führt,

    Sabine und Burkhard leben es uns vor!

    Danke

    Rolf

  3. Christoph Schmid

    Ich wünsche diesem unbekannten Bäcker in den Pyrenäen von Herzen, dass er noch lange so weitermachen kann, ohne Konkurrenz durch eine große Kette oder Supermärkte.
    Vielleicht ist gerade diese etwas schwerer zugängliche, nicht so dicht besiedelte Bergwelt noch eine Bastion des Ursprünglichen, weil sich dort der Aufwand für den Bau großer Einkaufsmeilen nicht lohnt.

    Solides Handwerk, einfache Menschen, da geht einem das Herz auf. – Da gibt es noch Seele, egal ob in der Backstube oder im Verkaufsraum, beim Wiegen oder einräumen, da sind Menschen am Werk und die geben immer etwas von sich selbst mit in Ihre Arbeit hinein…
    Diesen identischen, tausendfach von Maschinen produzierten Fließbandprodukten fehlt diese Seele, diese Schlichtheit und auch die imperfektion. – Ich genieße es jeden Sommern / Herbst wenn hier in den Kleinstädten die Backstuben angeheizt werden und Bauernbrot gebacken wird…
    Die Laibe sind nicht alle gleich, nicht immer perfekt geformt, manche dunkler, manche heller… aber genau das macht sie besonders – und sie sind Schweinelecker.

    Macht weiter so, Herr & Frau Koch,
    zeigt der Welt dass es sowas immernoch gibt.

    Liebe Grüße,
    Christoph

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