Land Cruiser auf Dschungelpfaden
Die Richtung ist klar: Süd, aber welchen Weg.
Fast alle Reisenden mit Mietwagen fahren entlang der Küste, der Goldküste mit ihren tollen Badestränden und malerischen Sonnenaufgängen über dem Pazifik. Die Küstenstraße ist natürlich geteert und Shopping Malls, Restaurants, Cafés und Hotels reihen sich aneinander. Die Touristenorte sind international und damit auch international austauschbar. Wie schon gesagt, Surfers Paradise könnte auch Miami sein.
Hundert Kilometer weiter westlich reiht sich ein Nationalpark an den anderen, unterbrochen von Naturreservaten und riesigen „State Forests“.
Australien ist ein offroad Land. Im Staatsforst darf man jeden noch so kleinen Waldweg befahren und durch die Nationalparks führen Offroadpisten, die in fünf Schwierigkeitsgrade eingeteilt sind.
Das ist unsere Welt. „Wir können ja versuchen, im Wald zu fahren, sodass die Kompassnadel möglichst immer 180° zeigt“, ist Sabines Vorschlag. Die Idee gefällt mir, wir ändern sie nur soweit ab, dass wir die Highlights nicht verpassen. Über den Daumen gepeilt, liegen jetzt 500 – 600 km durch tropischen Regenwald vor uns. Im Supermarkt füllen wir die Vorräte auf und ich betanke den Zusatztank mit Diesel.
Australien ist ein reiches Land, daher sind die Waldwege und selbst „fire cut lines“ instand gehalten, zumindest soweit, dass sie für den Land Cruiser keine Herausforderung sind und sich leider nie eine Fahrsituation ergibt, bei der die Hände feucht und der Mund trocken wird.
Drei, vier Mal ziehen wir umgestürzte Bäume vom Weg, indem wir einfach den Bergegurt um den Stamm schlingen und am Zurrhaken der kleinen Pistenkuh einhängen. Hierbei macht sich zum ersten Mal die Investition in Mud-Terrain-Reifen bemerkbar, die die Kraft auf den Boden bringen, um den Stamm soweit beiseite zu ziehen, dass sich eine zwei Meter breite Durchfahrt ergibt.
Zum Glück ist der Zusatztank gefüllt, denn so einfach, wie wir uns es vorgestellt haben, ist es doch nicht. In unserer Karte sind nicht alle Wege eingezeichnet und viel ärgerlicher, einige eingezeichnete Wege gibt es nicht mehr oder sind am Ende, also nach dem wir uns durchgekämpft haben, mit einer nicht mit Bordmitteln zu öffnenden Schranke versehen. Die Vorhängeschlösser sind durch dicke Eisenrohre so gesichert, dass man sie selbst mit einem dicken Bolzenschneider nicht erreicht. So werden aus den geplanten 600 km knapp 750.
Känguru zum Abendessen
Für unser Nachtlager finden wir am späten Nachmittag genau zur richtigen Zeit eine kleine Waldlichtung. Nicht einsehbar vom Weg aber hier kommt sowieso keiner, und wenn doch, wäre es kein Problem. Die Reispfanne ist aufgegessen, unterm Tisch glimmt eine Spirale, die Moskitos fernhalten soll und auf wundersame Weise dies auch tut. Wir hören Schritte im Wald, sind ganz ruhig, lauschen. Die Schritte kommen näher und dann sehen wir zwei Ohren und einen Kopf. Und schon steht das Känguru, fast größer als Sabine, auf der Lichtung.
Ich weiß nicht, ob es am Rauch der Moskitospirale liegt, aber es scheint uns nicht wahrzunehmen, kommt direkt auf uns zugesprungen. Fotoapparat liegt natürlich im Auto. Wir bleiben starr sitzen, kein Wimpernzucken und beobachten wie das ausgewachsene männliche Tier in vier Meter Abstand Grashalme kaut. In dem letzten Tagen haben wir immer wieder Kängurus und Wallabies im Wald gesehen. Aber sie sind so scheu, dass sie sofort abhauen, wenn ich mit dem Fotoapparat in ihre Richtung ziele. Ein Verhalten als würden andere mit der Flinte auf sie anlegen.
Papageien, Kakadus und Adler
Vögel verhalten sich ähnlich. Wir sehen rote, grüne, gelbe, weiße, schwarze und bunte. Wir sind keine Ornithologen und haben sie für uns in vier Gruppen eingeteilt:
Papageien, alles was aussieht wie ein Papagei.
Kakadus, alles was aussieht wie ein Kakadu.
Adler, alles was segelt und aussieht wie ein Adler.
Hühner, alles was auf dem Boden läuft und eine gute Mahlzeit geben würde.
Opossum in der Nacht
Zweimal hatten wir spät am Abend Besuch von einem Opossum. Das Opossum ist neugierig und überhaupt nicht menschenscheu. Im Gegenteil, selbst Blitzlicht und Scheinwerfer bringen es nicht davon ab, uns vom Baum herab zu beobachten. Stundenlang sitzen wir ruhig da und beobachten uns gegenseitig. Wir sind jedoch nicht nachtaktiv, geben auf und kriechen ins Bett. Genau darauf scheint das Opossum gewartet zu haben. Keine zwei Minuten später hören, wie es auf unseren Tisch springt und alles, was noch von uns draußen ist, nach Essensresten durchsucht.
Echsen sehen wir natürlich jede Menge. Kleine Braune – langweilig – aber auch viele große, grüne, graue, gelbe. Besonders wenn wir durchs Unterholz kriechen, weil wir am Bach unsere Wasserflasche füllen wollen oder weil wir ein Wasserrauschen hören, das sich nach einem Wasserfall anhört und wir denken, dass wir dort etwas entdecken können.
Die Echsen sind nicht ganz so scheu und lassen sich gut beobachten, sofern sie eine Fluchtmöglichkeit haben. Die kleinen flüchten meist in Felsspalten oder ins Laub auf den Boden. Die größeren flüchten fast immer auf Bäume und da wird’s gefährlich, wenn kein Baum in der Nähe ist. Es sieht so aus, als wollten sie angreifen, aber sie wollen nur an einem hoch krabbeln und sich in Sicherheit bringen. Dabei hinterlassen sie mit ihren scharfen Krallen tiefe Wunden und ihre Bisse infizieren sich schnell und heilen nur langsam. Wenn kein Baum in der Nähe ist, sollte man etwas Abstand halten, die Echsen sind schnell.
Schlangen und Spinnen
Ach, ja, Schlangen und Spinnen:
Jeder, wirklich jeder, selbst die Australier selbst warnten uns vor Schlangen und Spinnen. Die Spinnennetze haben manchmal beeindruckende Größen, fast wie kleine Trampoline. Und wenn man eines übersieht, was häufig auf kleinen Waldpfaden vorkommt, klebt einem das Netz an Haaren, Kopf und Armen. Die Spinnen sind klein oder haben normale Größe im Vergleich zu den Spinnen in Deutschland. Manche sind silber oder gelbschwarz, fast schön, die meisten eklig hässlich.
Sabine kreischt jedes Mal, wenn sie sich im Netz verfängt, als wolle die Spinne sie fressen. Zur Beruhigung behaupte ich einfach, ich hätte gelesen, dass alle Spinnen, die Netze bauen, völlig harmlos seien. Nur die Spinnen, die auf dem Boden leben und Jagd machen, seien giftig und gefährlich. Mit dem kleinen Trick kriecht auch Sabine durchs Unterholz.
Später lese ich, dass ich zufällig recht hatte, die Spinnen sind zwar alle giftig, aber nur eine einzige, die „funnelwebspider“, kann einen Menschen töten und diese kommt nur in der Gegend um Sydney vor und baut keine Netze in Bäumen oder Sträuchern. Alle anderen Spinnen verursachen maximal schmerzhafte Bisse, ähnlich einem Wespenstich. Selbst die von den Australiern gefürchtete „redback“, eine kleine Spinne mit einem roten Punkt auf dem Rücken ist nur für Kinder gefährlich. Erwachsene sind nach einem Biss ein paar Tage krank mit Kopfschmerzen und Erbrechen.
Ich habe viele Australier gefragt, ob sie schon mal eine „funnelwebspider“ oder eine „redback“ gesehen haben, die meisten haben in ihrem Leben noch nie eine gesehen.
Mit Schlangen ist es ähnlich. Die giftigsten Schlangen leben in Australien aber in Indien sterben 50 Mal mehr Menschen je eine Million Einwohner durch Schlangenbisse als in Australien. Vor Schlangen haben wir schon deutlich mehr Respekt als vor Spinnen, haben aber erst eine gesehen. Hätte sie sich nicht bewegt, hätten wir sie gar nicht bemerkt. Durch ihre grüngelbe Färbung war die zwei Meter lange Schlange ihrer Umgebung optimal angepasst. Als wir etwas dichter als einen Meter herankamen, flüchtete sie. Zum Glück hatte ich die Filmkamera in der Hand und konnte sie auf Video einfangen. Ich war so dicht dran wie man sonst im Zoo an der Glasscheibe des Terrariums steht. Aber da die Glasscheibe fehlte, ist vieles vor Aufregung verwackelt und falsch fokussiert. Dabei hätte ich ganz relaxt sein können, im Reptilienführer las ich am Abend, dass die Schlange harmlos ist.
Eine kleine Teerstraße führt uns zum Pazifik-Highway und dieser uns direkt nach Sydney.