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Das Auto ist schnell violett
Australien

Das erste Arschloch der Reise

Vier Tage brachten wir in Brisbane damit zu, unser Allradmobil zu individualisieren. Das heißt, einiges an Ausrüstung von unserem Vorgänger ging sofort über Bord, z.B. die Angelausrüstung, ein riesiger Tisch, eine Matratze und Kleinkram. Wir wollen Platz im Auto haben und vor allem soll er leicht werden. Hinzugekommen ist vor allem stabiles Werkzeug wie Ratschenkasten, Zangen, Ring- und Maulschlüssel, 12 Volt Bohrmaschine, Sandbleche, stabile Schaufel, Spannbänder, 220 Volt Wandler um Kameraakkus zu laden um möglichst von Campingplätzen unabhängig zu werden.
Wir schlafen am besten im Bett unterm Dach, den Tisch im Fahrzeug brauchen wir nicht, also weg damit. Wir haben ein neues Fahrwerk von „Ironman“ einbauen lassen, damit kam der Body 50 mm höher und wir konnten so Reifen der Größe 285/75R16 mit einem MUD-Profil auf neue Felgen aufziehen.

Das Branding

Damit aus dem HZJ eine kleine Pistenkuh wird, fehlt jetzt nur noch die lila Farbe. Wir wollen den Land Cruiser mit Farbrolle und Pinsel streichen, so wie man zuhause die Raufaser tüncht. Pinsel, Rolle und Schleifpad sind schnell im Baumarkt gekauft, einen Autolackhandel zu finden, der uns den Acryllack im entsprechenden Farbton mischt, war schon schwieriger, aber auch das hat geklappt. Es fehlt jetzt nur noch der Ort, um die Arbeiten durchzuführen. Die erste Idee ist die naheliegendste, auf dem Campingplatz. Der Campmanager findet tausend Gründe dagegen, die ich alle entkräften kann. Aber er findet den tausend und einsten und tausend und zweitesten Grund dagegen. Ich dachte, die Australier seien so direkt, sagen einfach, was ihnen passt und was nicht. Ich gebe auf, er will einfach nicht. Dabei hätten wir uns fürs Streichen auf den Müllplatz, einige hundert Meter entfernt von den Stellplätzen, gestellt und natürlich den Boden abgedeckt, damit auch kein einziges Farbtröpfchen ein Sandkorn violett färbt.
„Lass uns mal zu Peter fahren, der war ja ganz okay“, ist Sabines Idee.
Peter hat uns in seiner Werkstatt die neuen Federn eingebaut und die neuen Reifen besorgt. Zudem ist er vor 19 Jahren mit einem VW-Passat durch Afrika gefahren, bevor er in Australien hängen blieb. Peter treffen wir in seiner Werkstatt.
„Hi Peter, alles klar?“
„Jo, und bei euch?“
„Auch, kurze Frage: Kann ich bei dir meinen Toyo rollen? Nicht lackieren, kein Schleifstaub, kein Farbnebel, nur anstreichen, keine Diskussion, ja oder nein.“
„Ja, am besten fahrt ihr hinter die Werkstatt, da stört ihr keinen und euch stört keiner.“
So muss das laufen, kein langes Gerede.

Das Arschloch

Mit Schleifpad und  Schweiß ist der alte Lack schnell aufgerauht. Ich will gerade den Härter in den Lack mischen, als hinter mir eine ältere Männerstimme schreit: „Was machen Sie da? Hören Sie sofort auf! Wer hat Ihnen das erlaubt?“ Ich drehe mich um, komme gar nicht zum antworten, der Mann im Tennisdress und Tennisschläger unter dem Arm redet sich in Rage.
„Wer hat Ihnen das erlaubt? Ich weiß davon nichts. Das gehört alles mir. Die Tankstelle, die Werkstatt, die Häuser, alles gehört mir. Alles meins, alles.“
„Uhi, ein Alphamännchen“, geht es mir durch den Kopf, „verteidigt sein Revier.“ Dabei will ich gar nichts wegnehmen, von seiner Tochter will ich auch nichts und von seiner Frau schon mal gar nicht. In der Natur wäre es einfach, man würde ihm etwas Futter geben als Zeichen der Anerkennung der Rangordnung. Aber ob es jetzt das Richtige wäre, ihm eine Dose Baked Beans in die Hand zu drücken? Oder soll ich einfach warten bis er kollabiert und dann weiterarbeiten. Ich denke wieder darüber nach, ob ich nicht doch ne Dose Bohnen aus dem Vorrat hole, nur um mal zu sehen, wie das Alphamännchen reagiert, habe ich noch nie gemacht. Doch dann bekomme ich die Chance zum Antworten.
„Guten Tag, ich bin Burkhard und das ist meine Frau Sabine. Wir sind vor ein paar Tagen aus Deutschland gekommen, haben den Toyota gekauft und Peter hat uns erlaubt, ihn hier zu streichen. Wir achten peinlichst darauf, niemanden zu stören und heute Abend wird alles so aussehen wie vorher, das haben wir Peter versprochen.“
„Peter hat nicht das Recht, euch das zu erlauben. Er hat die Fläche als Abstellfläche gemietet und nicht als Arbeitsfläche. Das ist alles vertraglich geregelt. Bitte stellen Sie Ihre Arbeiten sofort ein. Sofort!“
„Doofes Arschloch“, denke ich mir und in Worten umschrieben hört sich das so an: „Natürlich hören wir sofort auf. Wenn uns die Sachlage bekannt gewesen wäre, hätten wir Sie natürlich gefragt und seien Sie gewiss, wir sind Menschen die sich immer sehr genau an Gesetze und Verträge halten. Ohne das strikte Einhalten von Verträgen wäre ein vernünftiges Zusammenleben ja gar nicht möglich. Verträge sind doch Zeichen der Zivilisation. Schade, dass Peter das nicht so sieht.“
„Ja, sehr schade.“
Das Arschloch hat noch nicht mal die Ironie bemerkt, ist halt ein doofes Arschloch.
Ich zeige ihm noch den Mittelfinger als er um die Ecke verschwunden ist und Sabine streckt die Zunge raus.

Werft den Schlüssel in den Kasten

Wir cruisen mit unserem aufgerauten Toyo durch die Vororte von Brisbane auf der Suche nach irgendeinem Parkplatz, wo man ein Auto streichen kann. „Die Gegend ist hier einfach zu nobel, die holen sofort die Polizei, wenn ich den Farbeimer raus hole.“
„Vielleicht können wir bei der Polizei unters Schattendach“, spaßt Sabine.
„Zeig mal den Stadtplan, da gibt es doch bestimmt irgendwo ein Industriegebiet, wo am Wochenende nichts los ist.“
Vier Kilometer später stehen wir im Gewerbegebiet, in einer Seitenstraße hämmert noch ein Autoschlosser auf Autos rum. „Den frag ich mal, ob er was dagegen hat, wenn wir im Wendehammer unser Auto streichen. Er ist der Einzige, der uns hier Ärger machen könnte. Jak ist cool drauf. Seine langen grauen Haare hat er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und seinen langen, ebenso grauen Kinnbart geflochten.
„Das im Wendehammer zu machen, ist doch Scheiße. Morgen ist Sonntag, da könnt ihr den ganzen Tag in meine Halle. Macht abends das Tor zu und werft den Schlüssel in den Briefkasten.“ „Und wenn wir was klauen?“ „Ich vertraue euch.“ „Wir können dir ne Kopie vom Pass geben.“ „Ich habe doch gesagt, dass ich euch vertraue, das reicht mir.“ Und mit etwas Verzögerung und einem Lachen: “ Ich habe noch nie einen violetten Land Cruiser in Australien gesehen, ich finde euch.“
Sonntag Abend war der Land Cruiser violett und es ist uns gelungen, eine schöne Orangenhaut mit der Rolle zu produzieren, war zwar nicht so geplant, aber ist so gekommen.

Bushcamper in Farbe: So muss ein Land Cruiser aussehen

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Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

This article has 1 comment

  1. Winfried Rembert

    Einfach köstlich, sehr unterhaltsam Dein Schreibstyle. Gefällt mir sehr.
    Wie krass unterschiedlich die Menschen sein können.

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