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Siedlung in Bosnien
Europa

Erlebnisse in Bosnien und Serbien

Motor von Volkswagen

Eine dunkel gekleidete Person schwenkt eine rote Kelle und zeigt mir den Standplatz auf einer Schotterfläche vor seinem Polizeiwagen. Das Delikt ist mir sofort klar, ich habe die durchgezogene Linie überfahren und das auch noch mit voller Absicht. Wir sind weit ab von den Hauptstraßen unterwegs, irgendeine nur als dünne Linie in der Karte verzeichnet Asphaltstraße, so schmal, dass kaum zwei Autos aneinander vorbei können, aber eine durchgezogene Linie. Ich überlege noch an einem guten Argument während ich dem Beamten Führerschein, Versicherungskarte und Fahrzeugschein übergebe.
„Aah, Deutsch.“ „Ja“, entgegne ich knapp und er gibt mir, für mich ziemlich überraschend, die Papiere zurück. „Entschuldigung für das Überfahren der Linie.“ „Kein Problem, deutsche Leute gut, jetzt viel Asyl.“ Obwohl er nur kurze Zeit Deutsch in der Schule unterrichtet bekam, ist eine Verständigung gut möglich. Wir können stolz sein, aus einem Land zu kommen, das anderen helfen kann. Er wäre so stolz, wenn Serbien irgendwann ein Land wäre, in dem Menschen aus der ganzen Welt leben wollten.
Als ich den Steyr starten will, bitte ich ihn, zwei Meter vom Auspuffrohr weg zu gehen, um ihm das Aushusten der Rußpartikel zu ersparen. „Aah, Motor von Volkswagen“, dabei lacht er, dass sein Bauch auf und ab hüpft. „Aber Volkswagen gutes Auto.“

Tourist koom Koofee

Wir fahren auf schmalen Wegen durch Wälder, abseits der großen Nationalstraßen, und suchen einen Platz für die Nacht. Ein kleiner Schotterweg führt über Weiden, an zerfallenen Häusern, an kleinen Friedhöfen und vereinzelt stehenden, bewohnten Häusern vorbei. Wir wählen eine kleine, brach liegende Wiese.

Übernachtungsplatz in Bosnien

Übernachtungsplatz in Bosnien

Während ich die Leiter einhänge bemerke ich, dass uns ein Mann vom gegenüberliegenden Grundstück aus einiger Entfernung beobachtet. Also gehe ich mal zu ihm hin, gebe die Hand und kläre mit Zeichensprache, dass wir vorhaben, die Nacht auf der Wiese zu verbringen. Er erwiedert mit seinem gehobenem Daumen und sagt: „Tourist okay.“
Er zeigt auf Sabine und mich, dann auf sein Haus etwa 400 Meter entfernt: „Tourist koom Koofee.“ Warum eigentlich nicht.
Er geht voran. Auf der Wiese grasen Ziegen und Schafe. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in frischen Kuhdung treten. Beim Haus, immer noch oder schon wieder eine Baustelle. Davor liegt ein alter Lada auf der Seite, ein kaputtes Bobby-Car mit Achsbruch gleich daneben und jede Menge Schrott. Eine alte Waschmaschine, verrostete Konservendosen, Ölkanister und jede Menge Plastiktüten.

Vor dem Haus ruft er etwas, wovon ich nur „Koofee“ und „Tourist“ verstehe. Wir werden in die Küche geführt und sollen uns an den Esstisch setzen, um den herum sechs alte Holzstühle stehen. Der Raum ist groß, beheizt mit einem Holzofen, in einer Ecke steht ein alter Röhrenfernseher auf dem irgendeine Kindersendung im billigen RTL Format läuft. Seine Frau und zwei kleine Kinder sitzen davor. Seine Frau ist schön und sie lacht unaufhörlich. Sie findet es wohl komisch, dass ihr Mann einfach mal zwei Touristen mit nach Hause bringt. Die Großmutter kommt hinzu und zündet sich erstmal eine Zigarette an. Eine große Emailleschüssel mit selbst gebackenen Hefeteilchen, die mit selbst gemachter Marmelade gefüllt sind, wird auf den Tisch gestellt. Für jeden eine Emailletasse und der Hausherr holt eine Flasche selbst gebrannten Schnaps aus dem Kühlschrank: „Koofee Serbian“. Sabine und ich verneinen den Schnaps, seine Frau und er lachen und die Großmutter hält ihre Tasse hin und lässt sich ordentlich einschenken. In einem Wasserkessel wird Wasser aus dem Brunnen zum Kochen gebracht.

Ich staune nicht schlecht, in jede Tasse werden zwei gehäufte Teelöffel Kaffee gefüllt und zwei Teelöffel Zucker obendrauf. Das Ganze mit kochendem Wasser übergossen und fertig ist der Kaffee. Ich schreibe diese Zeilen übrigens nachts um halb zwei.
Trotz des Zuckers schmeckt der Kaffee bitter und Sabine und ich sind froh als die Tasse nur noch mit Satz gefüllt ist. Die Hefeteilchen schmecken dafür umso besser und ich freue mich, dass die Großmutter mir ihre Backwaren ständig aufdrängt.
Zum Schluss doch noch ein „Koofee Serbia?“. Nein Danke, aber die Großmutter nimmt noch eine Tasse. Soviel haben wir verstanden: Die Familie ist Selbstversorger, Obst und Gemüse gibt es im Garten, Milch und Fleisch ebenso. Für das wenige Geld, das für Strom, Benzin und Kleidung gebraucht wird, verkauft man zum Hammelfest der Muslime ein paar Schafe. Und wenn sich die Möglichkeit ergibt als Tagelöhner auf dem Bau oder im Wald zu arbeiten, nimmt man das Geld noch mit. Zum Abschied bekommen wir die restlichen Hefeteilchen in eine Tüte gepackt und werden mit „Tourist bye bye“ verabschiedet.

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

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