Great Ocean Road
Die Route der Great Ocean Road entlang der Steilküste ist ein Touristenhighlight, komplett zweispurig und gut ausgebaut. In jedem Reiseführer ist die Strecke beschrieben und in jedem Bildband zu Australien findet man mindestens ein Bild der Felsnadeln im Ozean mit dem biblischen Namen „Zwölf Apostel“. Die Streckenbeschreibung hört sich gut an: „Über 250 km lang zieht sich das Asphaltband auf haarsträubende Weise an einer unglaublich schwierigen Küste entlang, umrundet felsige Landzungen und klammert sich an die Ränder senkrecht abfallender, bröckliger Klippen.“
Und so ist es auch. Nur man sieht es nicht wirklich. Als Fahrer muss man sich auf den Verkehr konzentrieren: Reisebusse, Motorradgruppen, Wohnmobile, Ausflügler und ab und zu europäische Touristen mit Leihwagen, die mit großen Schildern darauf hingewiesen werden müssen, auf der linken Seite zu fahren.
Als Beifahrer sieht man auch nicht viel mehr. Auf langen Strecken ist die Sicht durch Wald verdeckt. Ehrlich gesagt, wir sind etwas enttäuscht, die kroatische Adriastrecke oder die Corniche in Monaco sind beeindruckender.
Alles Scenic an der Great Ocean Road
Hinter einer lang gezogenen Kurve blitzen ein halbes Dutzend weißer Reisebusse in der Sonne. Das große, moderne, nicht ganz in die Landschaft passende Gebäude der Touristeninformation kommt näher und große Tafeln am Straßenrand verraten, wo wir sind: „Scenic Lookout Twelve Apostle“.
Rote Hubschrauber starten und landen im 10-Minuten-Takt und fliegen Touristen die Küste auf und ab, „Scenic Fly“.
In Anbetracht des Touristenrummels könnte ich auch gleich durchstarten. Aber jetzt sind wir schon einmal hier und ein Bild muss sein. Also parken wir den lila Cruiser neben zig weißen Mietwohnmobilen von Britz, Maui, Apollo und Backpacker und latschen den breiten Fußweg schön mit der Herde zum „Scenic View“.
„Wow“, was für ein Anblick. Genau wie im Bildband, nur live, mit Meeresluft, Brandungssound und warmer Sonne. Das muss man live gesehen haben und nur deswegen käme die Great Ocean Road in mein Buch „Traumstraßen der Welt“, wenn ich denn so ein Buch machen würde.
Und die Touristenmassen sind kein Problem. Sie laufen dem Schild „Scenic“ nach, knipsen drei Bilder, bei denen sie grinsend vor der Kamera posen und dann zurück zum Parkplatz.
Nur wenige nutzen den schmalen Weg an den Klippen entlang für eigene Erkundungen. Vielleicht sind Stöckelschuhe dafür auch nicht das geeignete Schuhwerk.
Auf dem Parkplatz der Touristeninformation wird das „wilde Campen“ geduldet. Hier sind auch öffentliche Toiletten und Trinkwasser Tag und Nacht zugänglich. Wir übernachten lieber auf einem Feld und fahren für die Nacht ein paar Kilometer raus.
Um sieben Uhr geht die Sonne auf. Wir stellen uns den Wecker auf sechs Uhr und erleben den Sonnenaufgang in einer bizarren Küstenkulisse. Beim Morgenlicht, herrlich zum Fotografieren, ist man ganz alleine. Die Touristenmassen kommen wenn das Fotolicht geht.
Wir stehen auf einer Felsklippe, sanft rauscht das Meer unter uns. Möwengeschrei. Friedliche Atmosphäre, es fällt schwer, sich die Dramen vorzustellen, die sich hier abspielten. Die Küste ist gezeichnet von hohen Wellen, Sturm und Orkan. Nebel erschwert den Seefahrern oft die Sicht und würde sich das Meer zurückziehen, gäbe es den Blick auf im Laufe der Zeit 1.200 gesunkene Schiffswracks frei. Nur wenige überlebten und sahen die Sonne aufgehen. Was für ein Glück, hier zu stehen.
Glück hatten aber auch Andere.
Jede Welle schmirgelt an dem weichen Gestein. Jede Welle verändert ein kleinwenig die Küste. So entstand im Laufe der Jahrtausende diese bizarre Küstenlinie mit Felsnadeln, Höhlen und Naturbrücken, die sich ständig verändert. Die Küste sah vor 100 Jahren anders aus als heute und unsere Ururenkel werden die Küste in 100 Jahren anders sehen als wir.
Die Veränderungen sind da, aber man wird sie in den paar Stunden, in denen man hier ist, nicht wahrnehmen. Nur wenige werden das Glück haben, gerade in dem Moment dazustehen und mitzuerleben, wie eine Naturbrücke in sich zusammenfällt.
Am 15. Januar 1990 hatten zwei Reisende das große Glück, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wenige Minuten zuvor waren sie noch über die Naturbrücke, sie hieß damals „London Bridge“ gegangen. Kurz später standen sie auf dem Stumpf draußen im Meer und mussten mit dem Hubschrauber gerettet werden.
Was für ein Glück, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Ein bisschen rumballern
Ist es das Abenteuer, der Reiz der Gefahr, der Kampf Mann gegen Bestie auf Leben oder Tod? Oder ist es einfach nur Mordlust, die Hobbyjäger auf Kaninchen ballern lässt. Ich weiß es nicht. Wie krank muss ein Hirn sein, das Glücksempfinden oder Freude auslöst beim Töten wehrloser Kreaturen. Wie dem auch sei, hier im Hinterland der Great Ocean Road lebte Thomas Austin, ein aus England eingereister Schafsfarmer. Eines Nachmittags muss er wohl im Schaukelstuhl mit einem Glas Bourbon in der Hand auf der Veranda gesessen und sich gedacht haben: „Wie schön muss es sein, jetzt ein Tier umzubringen. Was für ein Spaß muss es sein, zuzusehen, wie die Kreatur verreckt.“ Ein ideales Mordopfer wären Kaninchen, doch die gibt es in Australien nicht. „Die sollen aus England welche schicken!“
Mit dem nächsten Schiff kam ein Holzverschlag mit 24 Kaninchen. Austin ließ sie frei und ballerte los, doch die Kaninchen vermehrten sich schneller, als Austin nachladen konnte. Vielleicht war er auch kein so guter Schütze, wie er dachte. Jedenfalls die Karnickel vermehrten sich sprichwörtlich, die riesigen Grasflächen boten ideale Bedingungen, zumal natürliche Feinde so gut wie fehlten. Die kleinen Nager fraßen ganze Landstriche kahl, Schaffarmer waren plötzlich von Kaninchen in ihrer Existenz bedroht. Natürliche Feinde müssen her. Man importierte Füchse und auch die vermehrten sich wie die Karnickel. Schwupps hatte man die nächste Plage am Hals. Irgendwie war der Australier schwer von Begriff. Statt aus den Plagen zu lernen, wurden weitere Tierarten importiert. Nutztiere durchbrachen Zäune und verwilderten. Heute sind verwilderte Hausschweine genauso eine Plage wie verwilderte Hunde und Katzen. Die einheimischen Tiere sind den Neuankömmlingen unterlegen. 130 Säugetierarten sind in Australien vom Aussterben bedroht. Dabei hat man noch keine afrikanischen Tiere eingeführt, wie schon geplant. Man wollte zum Amüsement der Wanderer Affen in den Wäldern aussetzen und in den weiten Graslandschaften der Halbwüsten Zebras, Giraffen und andere Steppentiere ansiedeln.
Hinweis für Hobbyjäger
Ich bin kein Vegetarier und natürlich wird ein Tier getötet für meinen Fleischhunger. Damit habe ich auch kein Problem. Ich habe auch nichts gegen Fleischjagd, für mich muss das Tier nicht unbedingt mit einem Bolzenschussgerät auf meinen Tisch befördert worden sein. Meine Verachtung richtet sich gegen Trophäenjäger, die vom sicheren Geländewagen aus Löwen, Elefanten, Bären und andere Großtiere schießen, das Fell abziehen und den Kadaver liegen lassen.