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Reisen

Risiken eines Abenteurers – die Gefahren unterwegs

Risiken eines Abenteurers und 4×4-Travellers

Anmerkung: Dieser Text liegt seit Jahren auf meiner Festplatte. Geschrieben hatte ich ihn im Auftrag eines Reisemagazins, welches einen Text zu den Risiken und Gefahren eines Abenteurers haben wollte. Man stellte sich wohl die „romantische“ Beschreibung der Gefahren durch Rebellen, Verdursten in der Wüste und Angriffe wilder Tiere vor. Geschichten, wie sie gerne am Lagerfeuer erzählt werden.
In der Praxis sind die Gefahren zwar vorhanden, aber die eigentliche Gefahr lest ihr unten im Text. Der Text wurde zwar bezahlt, aber nie gedruckt. Die Antwort: „… Ihr Text mag der Realität entsprechen, jedoch stellt sich bei dem Leser nicht das erwartete Wohlfühlerlebnis am Ende des Textes ein.“
Also gibt es den Text jetzt für die Pistenkuh-Leser, die wissen, dass eine Reise nicht immer ein Wohlfühlerlebnis bietet.

Endlos zieht sich die Landstraße von Horizont zu Horizont. Die Tachonadel zeigt stur auf die 80. Auf den endlosen russischen Überlandstraßen durch Birkenwälder habe ich Zeit zum Nachdenken. Nachdenken über eine Frage die uns kürzlich gestellt wurde: „Ist euer Leben gefährlich?“ Ich denke an Rebellen in Kongo, an Schlangen in Algerien und an den technischen defekt der Einspritzpumpe in der Wüste Lut, während die Holzkreuze am Straßenrand im Minutentakt an mir vorbei ziehen.
Die Holzkreuze, ja sie sind die Zeichen der Gefahr. Wie oft war ich in brenzligen Situationen mit Schlangen und Rebellen? Ich kann es an einer Hand zählen. Aber wie oft gingen Überholvorgänge anderer gut, weil meine Reifen blauen Qualm erzeugten und eine schwarze Spur auf den Asphalt malten? Deutlich öfter als mich Krokodile fressen wollten. Ja, unser Leben ist gefährlich.

Eines der vielen Holzkreuze am Rand der Fernstraßen der Welt.

Die Risiken eines Abenteurers liegen auf der Straße

Oft wird verkannt, welche Gefahren ein Unfall birgt, der sich in einem fernen Land ereignet. In vier Reihen bahnen sich die Autos auf der zweispurigen Stadtautobahn in Kairo City ihren Weg zum Ziel. Es wird gehupt, geschnitten und gedrängelt. Jeder Raum der sich auftut wird genutzt. Der Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn fällt im Lärm und Gedränge kaum auf. Jeder versucht Platz zu machen, aber wo kein Platz ist, hat auch der schnellste Notarzt keine Chance und so schiebt er sich ebenso im Schritttempo in Richtung Krankenhaus. Die Bilder habe ich noch im Kopf. Der Unfall eines Mopedfahrers, keine drei Kilometer zuvor. Blut und Benzin auf der Straße, Rettungssanitäter die Infusionsflaschen halten und jede Menge Gaffer, die mit ihren Handys filmen. Natürlich, wie in Entwicklungsländer üblich, keine Schutzkleidung und kein Helm.
Der Ford Transit mit dem roten Halbmond auf der Schiebetür hat es geschafft, uns einzuholen und durch die erhöhte Sitzposition in unserem Reise-Lkw habe ich einen Blick in den Notarztwagen. Ich muss zwei Mal hinsehen um es zu glauben, der Rettungssanitäter hält dem Patienten eine Zigarette hin und lässt ihn immer wieder ziehen. In seinem Mundwinkel steckt ebenfalls eine Kippe.
Ich bin erleichtert, er hat Glück gehabt, statt Sauerstoffsonde reicht eine Zigarette, es waren wohl nur Schürfwunden die schlimmer aussahen, als der Unfall vermuten ließ.

Verunglückter Lastwagen in Mali

Hier liegen die Risiken eines Abenteurers

Aber mir wird wieder klar, wo die Risiken eines Abenteurers, dass eigentliche Gesundheitsrisiko einer Reise liegt. Es ist eben nicht der Schlangenbiss, der Raubüberfall, die Lebensmittelvergiftung oder irgendeine Tropenkrankheit, sondern das Risiko der Straße.
Die Gefahr wird überdeutlich wenn man an die völlig überladenen und oft ungenügend gewarteten Fahrzeuge, ich habe aus Teak-Holz geschnitzte Bremsbeläge in Gabun gesehen. Hinzu kommt die Mentalität der einheimischen Verkehrsteilnehmer, die sehr viel Gottvertrauen haben oder ihr Schicksal als vorbestimmt sehen und so wird – auch von Bussen und Tanklastzügen – an völlig unübersichtlichen Stellen überholt, zu schnell gefahren und Ladungssicherung ist wegen mangelnder Gurte, Keile oder Ketten gar nicht möglich.
Alkohol und Drogen am Steuer lasse ich mal ganz außer Acht.

In dieser Melange der Gefahr bewegt der Reisende sich permanent, egal ob zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmittel oder dem eigenen Fahrzeug. Hinzu kommt oft ein nur rudimentär vorhandenes Rettungswesen. Krankenwagen, die erst betankt werden müssen, bevor sie ausrücken können. Kein Einheimischer führt einen Verbandskasten mit sich oder hat gar eine Ausbildung in Erster Hilfe. Wozu auch, es dauert oft Stunden bis der Arzt die Unfallstelle erreicht. An Rettungshubschrauber gar nicht zu denken, es fehlt an Verbandsmaterial.
Ein Arzt in Ghana, den ich an einer Unfallstelle erbost fragte, warum er zur Unfallstelle schlendere statt zu rennen entgegnete: „Wer so schwer verletzt ist, dass der Arzt sich beeilen muss, hat hier sowieso keine Chance.“

Deutlich besser ist die Versorgung in den großen Städten, insbesondere in den Hauptstädten. Hier findet man (Privat)-Kliniken, die zwar keine intensivmedizinische Hilfe leisten können, aber doch einen schwer verletzten Reisenden soweit stabilisieren können, dass er im Ambulanzjet in sein Heimatland geflogen werden kann.

Russischer Krankenwagen auf dem Land

In der Reisepraxis ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

Minimiere deine Risiken

1. Es gilt die Gefahr eines Unfalls zu minimieren. Dazu gehört nicht nur defensives Fahren, sondern auch der Verzicht auf Fahrten in der Nacht oder der Dämmerung, sowie kein Alkohol am Steuer.

Aber auch der Selbstschutz bei Reparaturen am Fahrzeug (Reifenwechsel, Servicearbeiten etc.) hat oberste Priorität. Warnweste, Arbeitshandschuhe, Schutzbrille, Keile zur Absicherung des Fahrzeuges gegen Wegrollen usf. sind so wichtig wie Verbandsmaterial und Schmerzmittel. Immer daran denken, der Arzt kommt erst in Stunden „angeschlendert“.
Ebenso sollte auf gefährliche Sportarten verzichtet werden, wenn man sich abseits der Zivilisation befindet.

2. Sinnvoll ist eine Ersthelferausbildung bei einer der humanitären Anbieter wie Rotes Kreuz, Johanniter, Malteser etc. zu absolvieren, um den eigenen Partner retten zu können.

3. Neben der Bordapotheke, gehört ein umfassend ausgestatteter Verbands- oder Ersthelferkasten ins Fahrzeug. Hier kann man sich an den Ersthelferkästen, die für Industriebetriebe vorgeschrieben sind, orientieren und diese in Rücksprache mit einem Notarzt oder des Hausarztes ergänzen.
Sollte dein (Haus)Arzt dir ein lokales Anästhetikum (Betäubungsmittel) für die Reise oder Expedition anvertrauen, verpacke es in einer neutralen Schachtel, um eventuellen Diskussionen an Grenzen gar nicht erst entstehen zu lassen.

4. Solange dein Partner sich nicht artikulieren und wehren kann, lässt du ihn NIE allein.

Du wunderst dich über den vierten Punkt?
Ich erzähle dir kurz ein Erlebnis aus Marokko, einem der Länder Afrikas mit relativ guter medizinischer Versorgung.

Mit dem Moped in der Wüste

Eine Motorradgruppe fährt mit ihren Rallyemaschinen von Erfoud nach Zagora. Etwa 150 Kilometer vor dem Ziel stürzt einer der Motorradfahrer schwer.
Zufällig sind wir in der Nähe und können den Verletzten in unserem Truck nach Zagora ins Krankenhaus fahren. Die Röntgenaufnahme ergibt, dass ein Stück des Beckenknochens abgesplittert ist und auf die Wirbelsäule drückt. Zudem Schlüsselbeinbruch und Prellungen. Der Verletzte darf nur noch liegend transportiert werden, jede Erschütterung kann eine Querschnittslähmung verursachen. Doch der Jet des ADAC kann nur im 160 Kilometer entfernten Ouarzazate landen, ein liegender Krankentransport von Zagora nach Ouarzazate muss sofort erfolgen.
Seine Kumpel sind bereits nach Ouarzazate gefahren, um den Motorradtransport aus der Wüste zu organisieren und im Krankenhaus die bürokratischen Dinge zu erledigen.
Später erfahren wir telefonisch, dass der Verletzte auf dem Transport nochmals verunglückte. Der Sanitäter fuhr nicht im Krankenteil des Wagens mit, sondern nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Der Verletzte war allein und man hatte versäumt ihn anzuschnallen. In einer schnell gefahrenen Kurve rutschte er von der Trage und fiel auf den Boden des Fahrzeuges. Seine Schreie hörte man nicht, weil das Autoradio die Top Ten in voller Lautstärke spielte.

Jetzt, wo ich darüber nachdenke, war der ägyptische Mopedfahrer gut versorgt, auch wenn eine Zigarette zu geben das Einzige war, was der Sanitäter für ihn tun konnte.


Zur Vorbereitung und Ausrüstung einer Abenteuereise findest du in unserem Shop umfangreiche Literatur. Hier mal eine Übersicht der Ratgeber zu Medizin, Survival und Outdoor.

 

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

This article has 1 comment

  1. Henrik Müller

    Hi Burkhart, oder wer auch immer diesen Kommentar hier lesen wird.
    Ich muss sagen ich kann dem ganzen zu 100% beipflichten. Zwar sind meine Reiseerfahrungen anders gestellt und weit nicht in solch einem langen Zeitraum wie eure, jedoch kann ich euch in den beschriebenen Punkten komplett zustimmen. Meine Reiseerfahrungen belaufen sich auf jeweils 1 Monat Südafrika, Vietnam und Marokko und vor allem eine habe 8 Monatige Motorradreise durch komplett Zentralamerika und den westlichen Teil Südamerikas.
    Die romantischen gefährlichen Geschichten durfte ich dort zwar auch ab und zu erleben aber diese lassen sich auch an einer Hand abzählen. Und das sage ich obwohl ich dort einen gefälschten Führerschein hatte, 22 war und am Anfang der Reise nicht ein Wort Spanisch sprechen konnte.
    Viel gefährlicher ist auch dort der Verkehr. Das typische Gesetz des stärkeren oder im Falle der Strasse des schwereren, setzt sich nunmal im Zusammenprall immmer durch. Für mich war Rechts auf dem Standstreifen überholen (Wenn es den denn gab) meistens die beste und sicherste Methode um an einem LKW, der sich grade eine kurvige Strasse in Kolumbien oder Peru hochschlängelt, vorbeizukommen. Es gab eigentlich jede Woche ein Erlebnis, in dem man selber oder ein anderer Verkehrsteilnehmer schwer zu Schaden gekommen ist. Dennoch konnte ich mir mit ein paar einfachen Verhaltensweisen das Leben als Motorradfahrer deutlich erleichtern. Dazu gehört vor allem das Verständnis, dass man fast am letzten Ende der Nahrungskette im Strassenverkehr steht und sich dementsprechend anpassen muss. Das hiess für mich vor allem langsam fahren, Geduld mitbringen und die Landschaft geniessen. Am besten noch einen Podcast auf den Ohren währenddessen. Dank der entspannten Fahrweise hatte ich am Ende nur zwei kleinere Unfälle, bei denen ich auch nur ein bisschen gerutscht bin, aber nie wirklich verletzt habe.
    Ich kann anderen Motorradreisenden nur empfehlen die Ruhe zu bewahren und seinen Platz im Strassenverkehr zu erkennen.
    Diese Fahrweise hat sich tatsächlich auch auf Autofahren in Westeuropa übertragen weswegen ich das eine oder andere mal als sehr langsamer Autofahrere (Freundlich ausgedrückt) bezeichnet werde. Wenn ich daran denke wie häufig mir diese Fahrweise jedoch einen Unfall erspart hat und vor allem wenn man an die newtonischen Gesetze denkt die auf der Strasse sich sehr schnell sehr gewaltig deutlich machen, werde ich aufjedenfall an meiner Fahrweise festhalten.

    Danke aufjedenfall für den Beitrag. Ich lese die Berichte hier sehr gerne denn sie lassen mich an meinen Träumen festhalten und diese nicht in der Vergangenheit/ Zukunft verblassen.

    Viele Grüsse aus Dänemark
    Henrik

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