
Nicht nur die „blaue Stunde“, ein Reisefotograf unterwegs
„Ich musste heute Morgen früh raus. Die besten Fotos macht man eben in der blauen Stunde…“ berichtete mir ein Fotokollege vor ein paar Wochen. Ist das wirklich so? Gehen gute Fotos nur in der blauen Stunde? Wann ist die richtige Zeit für Fotos? Für den Reisefotografen fällt die Antwort kurz aus und man kann sagen: IMMER!
Der Fotografenspruch „Zwischen 11 und 3 hat der Fotograf frei“ lässt sich in der Reisefotografie nur schwierig anwenden. Der Tour-Alltag bestimmt häufig den Ablauf und die Möglichkeiten, Fotos zu machen. Hinzu kommt, das du wahrscheinlich nicht 4 Stunden auf deiner Wanderung pausieren möchtest, um dann nachmittags wieder schöneres bzw. anderes Licht zu haben. Und wann ist nun das beste Licht? Schauen wir uns hierzu den reisefotografischen Tag etwas genauer an. Ach so, bevor ich starte, die Beschreibung ist nur allgemein und kann sich natürlich durch das Wetter, Wolken und Gewitter auch anders darstellen. Gehen wir einfach mal von einem wunderschönen Bilderbuch-Reisefototag aus.
Es beginnt mit dem Sonnenaufgang und der blauen Stunde am Morgen. Je nach Jahreszeit kann dies unterschiedlich sein. Die blaue Stunde beginnt ca. 30min vor Sonnenaufgang. Hier ist das Licht sehr weich, die Sonne steht tief und es gibt schöne Schattenbildungen. Durch die Wechselwirkung der Ozonschicht mit dem flachen Winkel des Sonnenlichtes wird die Farbe blau dominanter. Das erzeugt eine sattere Farbe am Himmel und gibt der Zeit ihren Namen. Gerade am Morgen können Nebel oder Tau sehr gute Gestaltungsmöglichkeiten für die Landschaftsfotografie an Seen, Bächen/Flüssen sowie Wald und Wiesen bieten. Kommt die aufgehende Sonne durch die Baumwipfel, gibt es gerade jetzt eine gute Möglichkeit für einen Blendenstern.

24mm / F11 / 10s / ISO100

24mm / F3,5 / 1/50s / ISO100
Bis ca. 11Uhr ist das Licht hell, aber nicht zu grell, Bergmotive erscheinen klar und deutlich, da die Luft wenig Schwebstoffe enthält. Der Morgendunst sollte sich mittlerweile verzogen haben, so dass es sich auch gut mit einem Teleobjektiv arbeiten lässt. Es ist die ideale Zeit für die Tierfotografie. Die Wildnisbewohner, insbesondere Vögel, sind noch aktiv und durch das helle Licht lassen sich kurze Verschlusszeiten bei niedrigen ISO-Werten realisieren. Die kurzen Zeiten eigenen sich auch gut für das Fotografieren anderer sich bewegende Motive wie z.B. die Eisenbahn.

100mm / F6,3 / 1/640s / ISO500
Danach erreicht die Sonne ihren höchsten Stand und steht um 12:00 Uhr im Zenit, also an ihrer höchsten Stelle (Achtung, beachte eventuell Zeitumstellungen wie Sommerzeit o.ä. und natürlich Deinen Standort). In der Mittagszeit ist die Sonne am hellsten, das Licht ist hart und es gibt nur wenig Schattenbildung. Du kannst trotzdem mit einem ND-Filter, Polfilter oder bei der Wahl des Motivs interessante Fotos machen. Es ist die ideale Zeit für Fotos im Wald, in einer Höhle oder in Innenräumen von Gebäuden. Bist du als Reisefotograf in einer Großstadt unterwegs, ist es die richtige Zeit für Fotos in Häuserschluchten, da nur jetzt alles ausgeleuchtet wird und das Licht nicht in die Hauseingänge fällt.
Im Laufe des Nachmittags haben wir eine ähnliche Lichtsituation wie am Vormittag. Jetzt kommt das Licht aber aus einer anderen Richtung. Dieses natürliche Phänomen kannst du nutzen, um die Sonne beim fotografieren nun von der Seite oder hinter dir zu haben. Der Dunst bzw. Nebel hat sich bestimmt wie schon am späten Vormittag komplett verzogen. Wenn Du jetzt mit einem großen Teleobjektiv in der Tierfotografie unterwegs sein möchtest, kann es passieren, das sich die Luft über den Mittag stark aufgeheizt hat und du mit Thermik bzw. Luftflimmern rechnen musst. Sehen die Fotos auf deinem kleinen Monitor an der Kamera noch gut aus, ist das Ergebnis abends am Rechner enttäuschend. Es liegt nicht an deiner Kamera oder Objektiv, sondern ist eben Physik. Vielleicht kannst du das Flimmern in deine Fotos als gestalterisches Element einbauen.

35mm / F3,2 / 1/2500s / ISO100

600mm / F7,1 / 1/1000s / ISO320
Gegen Abend steht die Sonne wieder tief, das Licht wird weich und wir gehen auf die goldene Stunde mit dem Sonnenuntergang zu. Je nach Sonne kann sich der Himmel rot färben und es ist die beste Zeit für romantische Fotos am Strand und andere stimmungsvolle Motive. Es ist auch die ideale Zeit für Landschaftsaufnahmen.
Danach beginnt die blaue Stunde am Abend. Sie startet ca. 15 min nach Sonnenuntergang und bietet ähnliche Möglichkeiten wie die blaue Stunde am Morgen. Die „blaue Stunde“ dauert übrigens keine ganze Stunde, sondern je nach Standort zwischen 20 und 30 min.
Und danach ist Feierabend? Für den Reisefotografen noch lange nicht, denn jetzt beginnt die Nacht. Mit dem fehlenden natürlichen Licht müssen wir uns auf längere Belichtungszeiten einstellen. Doch der Mond und die Sterne stellen klasse Fotomotive dar. Die Astro-Fotografie hat jetzt ihre Zeit. Außerdem gibt es jede Menge Fremdlicht wie Beleuchtung oder Licht an Fahrzeugen usw. Gerade Dörfer, Städte oder angeleuchtete Objekte wie Burgen, Schlösser und andere Sehenswürdigkeiten erscheinen durch das technische Licht in einer ganz anderen Atmosphäre. Und ein nie ruhender Industriepark mit hellem Licht wirkt zu dieser Tageszeit spannend.

24mm / F2,8 / 0,3s / ISO12800
Du hast natürlich auch die Möglichkeit, selbst Fremdlicht wie einen Blitz oder eine Taschenlampe einzusetzen und kannst bewusst Akzente in deinem Foto erzeugen. Beim Fotospaziergag in der Nacht ist es wichtig, das du aufgrund der längeren Belichtungszeit mit einem Stativ unterwegs bist.
Wie wir zusammenfassend feststellen, gibt es über die Zeit eine Vielzahl von unterschiedlichen Lichtsituationen. Es ist deine Aufgabe, sie zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen. Dann wirst du den ganzen Tag und sogar in der Nacht mit klasse Ergebnissen fotografieren können.
Zum Schluss noch ein Tipp: Wenn du ein Motiv bewusst fotografieren möchtest und dir die Lichtrichtung für die Bildgestaltung wichtig ist, erkundige dich vorher genau über den Sonnenstand und die Zeiten. Hierfür gibt es gute Apps verschiedenster Anbieter, nicht nur für Reisefotografen. Ohne Anspruch auf Qualität und Vollständigkeit seien hier zwei genannt:
Android: Photo Time
IOS: PhotoPills
Jetzt wünsche ich dir viel Spaß in deinem fotografischen Tag.
Autor: Holger Beernink,
Web: Wildniscamper Reisefotografie
Instagram: wildniscamper
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