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Interview: Alternative Wohn- und Lebenskonzepte

Vor ein paar Tagen gaben wir ein Interview zum Thema: Alternative Wohn- und Lebenskonzepte.

Man sucht antworten auf die Frage:
Wie leben Menschen in alternativen Wohnformen und warum haben sie sich für diese Art zu leben entschieden.

Wie lange/seit wann leben Sie schon auf diese Weise?

Sabine und ich leben seit dem 21.März 2004 mobil.
Unser „Zuhause“ ist ein selbst gebautes Wohnmobil auf Basis eines Allrad-Lkws.

Wie ist es dazu gekommen und warum haben Sie sich für dieses Leben entschieden? Gab es einen bestimmten Auslöser?

Dazu gekommen ist es durch Zielsetzung und mit Beständigkeit auf dieses Ziel hingearbeitet zu haben.
In unserer Vorstellung war es das Leben, in dem wir die größte Freiheit der Selbstbestimmung haben. Selbst bestimmen über die Zeit, selbst bestimmen über den Tagesablauf, selbst bestimmen wo auf der Welt man lebt, selbst bestimmen mit wem man sich umgibt.
Einen direkten Auslöser gab es nicht, es war der Wunsch nach Freiheit.

Wie haben Sie vorher gelebt/gewohnt?

Relativ „normal“: Mietwohnung, eine Tochter, Job, Wochenende, Urlaub.
Naja ganz normal war es dann doch nicht: Das Ziel der zeitlichen Unabhängigkeit hatten wir im Alter von etwa 20 Jahren. Für uns bedeutet zeitliche Unabhängigkeit gleichzeitig finanzielle Unabhängigkeit. Daher haben wir bescheiden (wirklich bescheiden) gelebt und relativ viel des zur Verfügung stehenden Einkommens gespart. Dieses Geld haben wir in Unternehmensbeteiligungen oder in Wertpapieren, die auf Unternehmensbeteiligungen basieren, angelegt. Nach 15-20 Jahren sollte so die finanzielle Unabhängigkeit erreicht sein, um dann frei zu entscheiden, wie und wo wir leben.
Wobei eigentlich immer klar war, wir werden mobil leben und reisen.
Erreicht war die Unabhängigkeit nach 14 Jahren.

Gab es Widerstände in Ihrem sozialen Umfeld, als es zu dieser Entscheidung kam?

Jaein. Als wir zu Beginn die Idee und das Ziel kommuniziert haben, waren wir schnell in der Schublade der „Verrückten“ und wurden mit der Idee nicht ernst genommen. Folglich sprachen wir nur mit engsten Freunden und unserer Tochter über die Ziele, über den Zielereichungsgrad (angelegtes Vermögen).
Als dann der Schritt im Jahr 2004 möglich war, haben wir keine Widerstände bemerkt, auch deshalb weil durch die gewonnene Unabhängigkeit eben keine Abhängigkeit bestand und damit auch keine Einflussnahme mehr möglich war.

Hat sich dieses Umfeld seitdem verändert und inwiefern? Hat sich auch das Arbeitsleben verändert?

Dadurch dass wir ständig reisen, immer mobil unterwegs sind, haben wir nur ein stark reduziertes Umfeld, welches wir wahrnehmen und uns wichtig ist. Das ist eigentlich nur die Familie unserer Tochter und vier/fünf Freunde.

Arbeitsleben? Was ist das?
Wir haben kein Arbeitsleben mehr, wir reisen. Aber auch unterwegs braucht man eine Beschäftigung. Eine Modelleisenbahn aufbauen geht nicht, was bleibt ist fotografieren, schreiben, muszieren, basteln etc. Wir haben Spaß am Fotografieren und Schreiben.
Mittlerweile entstehen durch Bücher und Artikel für Magazine Einnahmen, aber wir empfinden es nicht als „Arbeit“, mehr als eine Option, denn wir können schreiben, müssen aber nicht.

Beschreiben Sie kurz, wie Ihr Alltag derzeit aussieht!

Der Alltag ist, dass es keinen Alltag gibt.

Es gibt keine klaren Abläufe oder Strukturen. Vieles ist abhängig von dem Land in dem wir uns aufhalten, vom Wetter, von Möglichkeiten die sich spontan ergeben, von Menschen die man trifft. Wir wissen morgens nicht, wo wir abends sind und wo wir übernachten werden.
Regnet es, koche ich Kaffee, schreibe am Computer, oder arrangiere Filme, oder bearbeite Bilder, oder blödel im Internet rum, oder spiele Schach.
Scheint die Sonne, gehe ich fotografieren. Lasse die Drohne fliegen, fahre mit dem Auto spazieren. Lädt mich morgens auf dem Markt jemand auf seine Farm ein, kann es sein, dass ich drei Stunden später mit dem Helikopter mitfliege und Rinder treibe, so geschehen in Australien. Ich weiß nicht, was morgen ist, dass ist der Alltag.

Welche Vorteile hat für Sie diese Art zu leben im Vergleich zu gewöhnlichen Wohnformen?

Ich muss nur wenige Kompromisse machen. Wenn mir der Nachbar nicht passt, packe ich meine Sachen und bin in 20 Minuten weg. Wobei wir in der Regel keine Nachbarn haben, wir nutzen kaum Campingplätze sondern stehen frei. Zudem sind wir viel in Ländern unterwegs, in denen Nomaden zum Alltag gehören. Zäune und Abgrenzungen sowie die Vorstellung Land zu besitzen, ist oft fremd.
Es gibt keine Kontrolle oder Normung durch Nachbarschaft und sozialem Umfeld.

Gibt es etwas, das Sie vermissen? Sind Sie mit dieser Art zu leben zufrieden? Was macht Sie daran glücklich?

Gelegentlich vermissen wir soziale Kontakte zu den engen Freunden. Natürlich ist vieles per Mail und moderner Technik möglich, aber mal am Kamin bei einem Glas Rotwein sitzen und mit Menschen sprechen, die den gleichen kulturellen Background haben, fehlt dann doch.

Ob wir zufrieden sind? Ein ganz klares und uneingeschränktes „Ja“.

Zum Glück und glücklich sein, kann ich nichts antworten, weil ich die Frage nicht verstehe, dazu müsste man den Begriff „glücklich“ genauer definieren.

Ich bin nicht religiös, glaube auch nicht an Schicksal und Glück.
Nehme ich mal die Anzahl der positiven Geisteszustände und setze diese ins Verhältnis zu meinen negativen Geisteszuständen, wäre der Koeffizient eine Zahl, bei der andere glücklich wären, diese zu erreichen.

 

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

This article has 5 comments

  1. Thorsten Kuttig

    Kurz knapp und auf den Punkt. Mehr gibt’s dazu wohl auch nicht zu sagen…. Prima!

  2. kölsche Marokkaner

    habt Ihr schonmal an einem Film/doku gedacht? manche machen von ihrem alternativen Leben eine nette geschicht für zdf,3sat oder arte..ich kann mir gut ewtas in der Richtung vorstellen.
    Gruss aus Köln
    Lotfi

  3. Angelika

    Verständlich und klar geschrieben, toller Schreibstill.
    So stelle ich mir das auch vor, Geld nicht aus dem Fenster schmeißen, sodass die Lebenspläne davon nicht abhängen müssen.
    Mit 67-70 wird es nicht so leicht sein loszufahren.

  4. timeline

    Schön beschrieben. Das Besondere an eurer Situation ist ja, dass sie extrem (!!!) selten ist. Die einzelnen Faktoren gibts öfters (z.B. finanzielle Unabhängigkeit, geklärte Abkömmlichkeit von Vater-Mutter-Oma-Opa-Rollen in der Familie, Gesundheit , Alter und natürlich die rock-steady Partnerschaft auf engem Raum). Ich würde sagen Wahrscheinlichkeit höher als 1: 10 Millionen.
    Der ganze „Exmo“-Markt geht ja von einem Schwindel aus – DU kannst es auch! Da wird Werbung produziert, die vorgaukelt, dass die Reise ohne bestimmte Gadgets (beheizter Dieselfilter etc.) nicht ginge. Dabei ist all das sekundär, das Auto, die Ausstattung, die Reifen etc.
    Entscheidend für´s Gelingen eines solchen dauerhaften Nomadenlebens sind die hier beschriebenen „weichen“ Faktoren – das größte Risiko bei einer Weltreise lebt mit dir im Auto (der Partner). Siehe final gescheiterte (so kann mans nicht sehen, die hatten ja zumindest temporär eine großartige Zeit) Blogs wie Hermann-unterwegs oder Pataschas World oder DefenderaroundEurope. (Gibts auch in Seglerkreisen z.B. „Blauwasser-segeln“. )
    Euer Blog ist so toll, weil er so fundiert ist, weil die weichen Faktoren in seltener Kombination stimmen. Bleibt aber ein rarer Edelstein. Masasenphänomen EXMO auf Basis einiger weniger gelungener Einzel-Lebensentwürfe.
    Wenn ich mit meinen vier Kindern im Allrad-Kurzhauber kurzzeitig verreise, dann haben wir wenigstens ein bisschen Pistenkuh (Knowhow) dabei – Danke für euren Blog!

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