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Blick zurück

Syrien

Wir haben zum Glück ein Visum für Syrien an der Grenze erhalten, zwar mit Schwierigkeiten, aber wir haben es geschafft.
Wir verlassen Jordanien und fahren Richtung Nord zur syrischen Grenze. Die Ausreise ist schnell erledigt und ein verblasstes, kaum lesbares Schild „Welcome in Syria“ empfängt uns.
Im Empfangsgebäude blickt der Präsident von einem Bild furchterregend auf uns herab.
Noch mehr Angst bekommen wir als wir das große Plakat lesen. Es gibt kein Visum für Ausländer an der Grenze, sofern in deren Heimatland eine syrische Vertretung existiert.
Ich mime wieder mal Stan Laurel und zu unserer Überraschung wird meine Frage nach einem Visum nicht abgelehnt. Der Beamte ist freundlich, wir sind es auch und er leitet unser Anliegen zur Prüfung weiter. Wir sollen einen Moment warten. Wir warten zwei Stunden, dann Frage ich nochmals nach. Vielleicht hat er uns vergessen. Noch einen kleinen Moment. Wir warten nochmals drei Stunden. Jetzt hat er uns doch vergessen. Nein – nur noch einen Moment, ich brauche nicht mehr nachfragen, er kommt zu unserem Auto, wenn die Prüfung abgeschlossen ist. Nach 27 Stunden (in Worten siebenundzwanzig) klopft es an der Tür und es gibt die erfreuliche Nachricht: Wir bekommen ein Visum für fünf Tage. Wir wollten sieben Tage, aber besser als abgewiesen werden.
Das Visum kostet 32 US-Dollar pro Person zuzüglich 100 US-Dollar Dieselsteuer plus 65 US-Dollar für eine Versicherung, dann sind wir drin.
Der erste Eindruck ist sehr positiv. Die Menschen sind nett und korrekt. Niemand versucht uns über den Tisch zu ziehen. Wir zahlen den Preis den alle zahlen, es gibt nicht mal den Versuch überzogene Preise zu verlangen. Wir können im Cafe oder Restaurant bestellen ohne vorher nach dem Preis zu fragen, ebenso auf dem Markt.
Das Leben ist im Sozialismus für Kapitalisten äußerst angenehm. Eintrittspreise übersteigen zwei Euro nicht, ganz im Gegensatz zu Jordanien. Die medizinische Versorgung ist kostenlos, ebenso die Bespitzelung durch die Geheimpolizei und Brot ist so billig, das man es an die Tiere verfüttert. Lang lebe der Sozialismus.
Zur Zeit werden Apfelsinen, Tomaten, Pampelmusen, Erdbeeren und Kartoffel geerntet. Das Kilo kostet auf dem Markt ca. 15 Eurocent. Das Sahnetortenstück beim Konditor gibt es ebenfalls für 15 Cent und einen Hamburger oder Kebab mit Pommes kostet 30 Cent. Wir nehmen in den fünf Tagen bestimmt 5 Kilo zu.
Und das Wichtigste für uns: Diesel gibt es für 10 Cent den Liter.

Die Frauen sind bunter gekleidet, nicht mehr nur schwarz. Es gibt wieder Mopeds, die in Jordanien verboten waren und abends sitzen die Männer und auch Frauen draußen auf der Straße und trinken Tee oder rauchen ihre Wasserpfeife. Auf den Straßen fahren bunte Lastwagen und Busse, dazwischen motorisierte Dreiräder, völlig überladen und bunt angemalt. Es erinnert ein wenig an Indien. Hier vermischt sich Afrika mit Asien.
Wir sehen einen Militärlastwagen. Die Tarnlackierung ist aufgepeppt durch verchromte Stoßstangen, Spiegel, Tankhalter, Trittstufen, Druckluftkessel und so fort. Der Laster fällt sofort ins Auge, egal ob Freund oder Feind.
Toll ist der Sound der Taxis. Es sind uralte Ami-Schlitten mit dicken V8-Motoren. Die Motorhaube nimmt einen Grossteil der Gesamtlänge des Autos ein.

Der Scheich

Ich erinnere mich beim Anblick der Autos an einen Araber nahe der Grenze zu den Saudis in Jordanien.
Wir stehen neben der Hauptstraße und kochen einen Kaffee. Von weitem hören wir das Blubbern eines großvolumigen Benzinmotors. Auf unserer Höhe angekommen wird er langsamer. Ein amerikanisches Sportcoupe, gesteuert von einem Scheich in weißem Gewand, Vollbart und Sonnenbrille. Plötzlich ein lautes metallisches „Ratsch“ und direkt danach noch mal „Ratsch“. Ich glaube es nicht. Der Scheich ist mit dem Sportwagen durch den Straßengraben gefahren, um eine Runde um uns zu drehen. Und wieder „Ratsch – Ratsch“ und er ist zurück auf dem Asphalt. Und das Ganze noch mal. Der Saudi dreht eine zweite Runde. Sein schöner Sportwagen, jedes mal setzt er vorne und hinten auf, völlig egal. Er grinst nur. Zurück auf dem Teer gibt er Gas. Die Automatik schaltet runter, Räder quietschen, es richt nach verbranntem Gummi und der Scheich verschwindet am Horizont.

Palmyra

Wir fahren nach Palmyra. Die alte Römerstadt kostet keinen Eintritt, wir können stundenlang durch die ehemalige Stadt laufen. Leider ist sie kaum restauriert und die restaurierten Stellen sind nicht fachmännisch ausgeführt. Fehlende Säulen sind einfach aus Stahlbeton nachgebaut.

 

Wer wirklich tolle alte Römerstädte sehen will, muss wohl nach Libyen, nach Sabrata oder besser noch Leptis Magna.
Aus der Wüste geht es 200 Kilometer Richtung Westen. Wir trauen unseren Augen nicht. Die Wüste geht fast unvermittelt in saftig grünes Fruchtland über. Am Horizont tauchen die schneebedeckten Berge des Libanongebirges auf. Die Landschaft erinnert an die Schweiz. Hier leben kaum noch Muslime, dafür sehen wir in jedem Ort schöne, im Verhältnis zum Ort etwas zu groß geratene Kirchen.
Unser Ziel, die Kreuzritterfestung „Krak des Chevaliers“ ist erreicht.

 

Wir zahlen zwei Euro Eintritt und können stundenlang alle unterirdischen Gänge, alle Türme, Bäder und Geheimgänge erkunden.
Wir nehmen eine Abkürzung nach Hama und irren stundenlang auf engen Straßen im Wald umher. Alle Schilder sind verblast und diejenigen, die lesbar sind, sind nur auf arabisch. In den kleinen Dörfern wird es richtig eng. Wir reißen ein Werbe- oder Wahlplakat, das zu tief über der Straße hängt, ab. Stromleitungen (zum Glück isoliert) wackeln, aber bleiben oben.
Auf den Millimeter passt unser Deutz durch die verwinkelten Gassen. Entschädigt werden wir mit traumhaften Blicken ins Libanongebirge. Alle Hügel und Berge sind in unvorstellbarer Arbeit terrassenförmig bearbeitet worden. Hier blühen jetzt die Aprikosen- und Apfelbäume. Leider ist die Fernsicht schlecht. Hier wollen wir unbedingt noch mal mit mehr Zeit und schönerem Wetter hin. Traumhaft schön.
Am nächsten Tag besichtigen wir Hama, den Souk, die Zitadelle und natürlich die riesigen Wasserräder, von denen sich kein einziges dreht. Auf geht´s zur Grenze. Vorher noch mal 800 Liter Diesel in den Tank und dann heißt es schon Abschied nehmen von dem böse dreinschauenden Präsidenten.
Aber die Bevölkerung liebt ihren Präsidenten, sie haben ihn mit 99,3 % in freien, geheimen Wahlen gewählt. Und in den großen Städten ist er überlebensgroß in Beton gegossen oder als Mosaik in Beton gelegt. Ich bin sicher, er wird auch die nächste Wahl gewinnen, sonst würden sie sich diese Arbeit nicht machen.
Die letzte Nacht in Syrien verbringen wir auf einem Geflügelhof (keine Angst – auf dem Hof, nicht im Stall). Am nächsten Morgen verabschieden wir uns und übergeben der Frau eine angebrochene Packung Kaffee (der Kaffee war ein Fehlkauf, er schmeckt uns nicht) und zwei Tortenstücke aus der Bäckerei vom Vortag.
Die Frau ist so gerührt, das ihr die Tränen kommen. Es ist schon lange her, dass ihr jemand etwas geschenkt hat. Jetzt müssen wir doch mit in den Stall und sollen uns ein paar lebende Hühner aussuchen. Aber wir wollen auf gar keinen Fall mit Hühnern an der Grenze auftauchen und so kann die Frau nichts tun außer uns hinterher winken.

Burkhard Koch reiste im Alter von 15 Jahren mit dem Fahrrad und Schlafsack frei durch Deutschland. Die Reiseleidenschaft wurde perfektioniert. Heute reist er ständig mit seiner Frau Sabine und einem Allrad-Lkw. Burkhard Koch schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

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